Triumph des Erwarteten: Peter Stamm erhält den Schweizer Buchpreis 2018. Neben dem gebürtigen Thurgauer, der weltweit Ansehen geniesst, standen nur Debütantinnen und vergleichsweise Namenlose auf der Shortlist. Oder um eine mostindische Metapher zu bemühen: Die übrigen vier Nominierten waren Fallobst, so dass Stamm endlich glänzen konnte.
2008 und 2011 war er als Kandidat noch übergangen worden, mit besseren Büchern als dem diesjährigen Siegerroman «Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt». Eine dritte Abfuhr hätte bedeutet, dass man ihn so rasch nicht mehr nominieren könnte.
Der Renommierteste gewinnt
Ist die Auszeichnung wirklich verdient? Der 55-jährige Peter Stamm ist zurzeit der international renommierteste Deutschschweizer Gegenwartsautor.
Er wird in prestigeträchtigen Magazinen wie dem New Yorker gefeiert, war für den wichtigen Man Booker International Prize nominiert und ist in mehr als 30 Sprachen übersetzt.
Höchste Zeit also, dass er endlich in seiner Heimat mit einem grossen Literaturpreis geehrt wird.
Triumph der Mutlosigkeit
Der Entscheid der Buchpreis-Jury ist aber auch ein Triumph der Mutlosigkeit: Alle anderen Nominierten wagen mehr in ihren Werken als Peter Stamm.
Was die Sprachkraft, die formale Virtuosität betrifft, ist Heinz Helle in «Die Überwindung der Schwerkraft» überlegen. Julia von Lucadoux in «Die Hochhausspringerin» und Gianna Molinari in «Hier ist noch alles möglich» wagen sich an brisantere, zeitkritischere Themen heran. Und Vincenzo Todiscos Roman «Das Eidechsenkind» über ein sogenanntes «Gastarbeiterschicksal» erzählt zumindest eine bewegendere Geschichte als Peter Stamm.
Klassische literarische Themen
Was aber bietet Stamms Roman «Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt», was die anderen nominierten Romane nicht im gleichen Ausmass bieten? Das ist nicht ganz leicht zu beantworten.
Alle Themen und Motive, die dieser Roman aufwirft – das ergiebige Doppelgängermotiv, das Spiel mit Identitäten und Spiegelungen, die Frage nach Schicksal und Zufall, der Umgang mit Erinnerungen, das Problem der literarischen Verarbeitung von nahestehenden Menschen oder die Frage, wie man durch eigene und fremde Bilder geprägt wird – das alles sind schon fast klassische, ja konventionelle literarische Themen.
Konventionelles mit Sog
Trotzdem ist Peter Stamm dafür zu bewundern, wie er diese grossen und ein bisschen belasteten Fragen, Themen und Motive mit sparsamer, unprätentiöser Sprache in eine doch atmosphärisch dichte Geschichte packt. In eine Geschichte, die eben den Sog entwickelt, den ein faszinierender Roman haben muss.
Insofern lässt sich damit leben, dass Peter Stamm den diesjährigen Schweizer Buchpreis erhält.