Mit einem herzhaften Lachen breitet Khaled Khalifa seine Arme aus: «Willkommen in meinem Büro.» Das «Büro» ist ein Café in der Zürcher Altstadt.
Auch in Damaskus empfängt er Besucherinnen und Gesprächspartner in einem Café. Allerdings hat er dort seinen fixen Tisch, an dem er gearbeitet hat und der mit seinem Namen versehen war, verloren. Denn im syrischen Café drängen sich heute in den wenigen Stunden, an denen pro Tag Strom verfügbar ist, Studentinnen und Studenten, um zu lernen.
In Zürich auf Zeit
Khaled Khalifa schreibt nun in Zürich an seinem neuen Roman. Bis zum Sommer ist er «Writer in Residence» und lebt in der Limmatstadt.
Den Wechsel aus einem Alltag, der von Krieg, Zerstörung und Entbehrung geprägt ist, hat er mühelos bewältigt. Seine innerliche Erschöpfung ist weg. Er ist wieder produktiv.
Und damit dies auch klar ist, betont er gleich zu Gesprächsbeginn, dass er zurückkehren werde. Ein Leben im Exil lehnt er nach wie vor ab, obwohl es ihm das Regime des Machthabers Bashar al Assad nicht einfach macht.
Geschichten mit Regimekritik
Khalifas Romane sind in Syrien verboten. Gedruckt werden sie im Ausland, in Beirut. Ausserhalb Syriens sind sie in 19 Sprachen übersetzt worden. In seinen Werken thematisiert er beispielsweise den Aufstieg von Hafiz al-Assad, dem Vater von Bashar al Assad, der Führer der mächtigen Baath-Partei war und sich in den 1960er-Jahren an die Macht putschte.
In seinem Roman «Der Tod ist ein mühseliges Geschäft» von 2018 beschreibt er die Odyssee von drei Geschwistern, die von Aleppo aus aufbrechen, um ihren toten Vater in einem Dorf in einer anderen Region zu begraben. Auf der Fahrt gibt es absurde Verzögerungen. So wird der sich zersetzende Leichnam des Vaters an einem Checkpoint verhaftet.
Land im Ausnahmezustand
Die Zensur nimmt Khalifa in Kauf. Er weiss, dass seine Romane trotzdem in Syrien gelesen werden. Es gibt Raubkopien, die zirkulieren.
Angst vor Repressionen hat er trotz heiklen Momenten nicht. «Ich habe vor niemandem und vor nichts Angst. Ich habe Glück gehabt. 300’000 Menschen – das ist nur eine Schätzung – sind in diesem Krieg bislang getötet worden oder werden vermisst.»
Die Situation im Land beschreibt der Autor als desolat, als totalen Ausnahmezustand: «Die Menschen leiden an Hunger. Jeden Tag gibt es neue Probleme. Wir haben kaum Strom, Benzin und Heizöl sind knapp. Wir haben keine Ahnung, ob wir jemals zu einem normalen Leben zurückkehren.»
Khalifa wünscht sich ein demokratisches Syrien. Als die Proteste vor zwölf Jahren begannen, war auch er auf der Strasse, um für Reformen und Meinungsfreiheit zu demonstrieren.
Von der Welt vergessen
Mittlerweile ist er ernüchtert. «Wir haben vier fremde Mächte im Land: Iran, Russland, die Türkei und die USA. Wir stellen uns fortwährend die Frage, wie die Zukunft von Syrien aussehen könnte. Ich habe darauf keine Antwort.»
Von der Welt fühlt er sich im Stich gelassen. Syrien habe viele Länder nie interessiert, es sei schon immer bedeutungslos gewesen.
Den Traum vom Regimewechsel hat der 58-Jährige aber noch nicht ganz aufgegeben. «Wenn ich in fünf, zehn oder noch mehr Jahren Syrien als demokratisches Land erleben könnte, wäre ich so glücklich. Mir würde sogar ein einziger Tag in einem demokratischen Syrien reichen. Dies zu erleben, bevor ich sterbe, wäre grossartig.»