Der Krieg in Syrien ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Von einer politischen Lösung ist man aber weit entfernt. Zu unterschiedlich sind die Interessen der verschiedenen Akteure: des syrische Regimes, der verschiedenen Oppositions- und Rebellengruppen und der beteiligten ausländischen Mächte.
Heute war Syrien Thema im UNO-Sicherheitsrat. Dieser hat einstimmig beschlossen, dass der einzige Grenzübergang, der nicht vom Assad-Regime kontrolliert wird, offen bleibt. Der Grenzübergang ist wichtig, weil er von der Türkei nach Idlib führt, das von den Rebellen gehalten wird. So kann die Bevölkerung direkt mit Hilfsgütern versorgt werden.
Bente Scheller von der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung kennt die komplexen Verwicklungen in Syrien. In ihren Beiträgen beschrieb sie in den letzten Jahren, wie sich Machthaber Baschar al-Assad mit russischer und iranischer Rückendeckung grosse Teile Syriens zurückeroberte – und Idlib zur letzten Rebellenhochburg im Land wurde.
Das Kampfgeschehen in der Provinz im Nordwesten Syriens hat sich im Vergleich mit früheren Jahren etwas beruhigt, auch wenn es immer noch Luftschläge und Kämpfe gibt. «Das heisst aber nicht, dass die Menschen hier ruhiger leben können und sich etwas zum Positiven entwickelt hat», sagt die Politikwissenschaftlerin.
Hoffnungslosigkeit und Armut
In Idlib grassiert Armut, Kinder können noch immer nicht in die Schule gehen. Die Hälfte der drei bis vier Millionen Menschen in der Provinz wurden bereits innerhalb von Syrien vertrieben, zum Teil sogar mehrfach. «Sie haben schon alles verloren, was sie hatten. Deswegen sind die Verhältnisse für alle, die dort leben, sehr trist.»
Assad ist zufrieden mit den Vertreibungen. Sie haben es ihm vielerorts ermöglicht, loyalere Kräfte anzusiedeln.
Der Grossteil Syriens ist wieder unter Kontrolle des Assad-Regimes. Die Grossstadt Aleppo wurde bei der Rückeroberung regelrecht zerbombt. Auch heute noch gleichen Teile der einst stolzen und geschichtsträchtigen Metropole einer Trümmerlandschaft.
An einer Rückkehr vieler Geflüchteter ist das Regime gar nicht interessiert. «Assad ist zufrieden mit den Vertreibungen», sagt die Nahost-Expertin. «Sie haben es ihm vielerorts ermöglicht, loyalere Kräfte anzusiedeln. Assad will damit sicherstellen, dass seine Herrschaft nicht wieder herausgefordert wird.»
Mehr als 90 Prozent der syrischen Bevölkerung gelten heute als hilfsbedürftig. Auch in vom Regime kontrollierten Gebieten herrsche verbreitet Hoffnungslosigkeit, sagt Scheller – und das bis in die Hauptstadt Damaskus. «Dazu kommen Milizen, die Waren schmuggeln, Menschen bedrohen und versuchen, die letzten Pfründe aus ihnen herauszupressen.»
Wähnt sich Assad in falscher Sicherheit?
Lange Jahre war Assad international weitgehend isoliert und zählte in erster Linie Iran und Russland zu seinen Verbündeten. Zuletzt zeichnete sich aber eine Annäherung an die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate ab.
Eine freiwillige Machtübergabe, wie sie die UNO anstrebt, bleibt vorderhand illusorisch. «Assad fühlt sich sicher und sieht überhaupt keinen Grund, warum er Konzessionen machen sollte», sagt Scheller. Aber: In den letzten Monaten hätten die Proteste gegen das Regime wieder zugenommen.
Im Süden des Landes gab es gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Regimekräften und Oppositionellen und auch unter regimetreuen Kämpfern brodelte es. Scheller bilanziert: «So sicher, wie sich Assad fühlt, ist er nicht.»