Der österreichische Autor Tonio Schachinger erhält für seinen Roman «Echtzeitalter» den Deutschen Buchpreis 2023. Das gab der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Montag in Frankfurt am Main bekannt.
Über den Deutschen Buchpreis
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Der Deutsche Buchpreis gilt als eine der wichtigsten Auszeichnungen der Branche und wird seit 2005 verliehen.
Der Preis ist mit insgesamt 37'500 Euro dotiert: Der Sieger erhält 25 000 Euro, die übrigen Autoren der Shortlist jeweils 2500 Euro.
Vergeben wird der Buchpreis von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
In diesem Jahr waren insgesamt 196 Romane von 113 deutschsprachigen Verlagen im Rennen.
Im Vorjahr ging der Preis an Kim de l'Horizon für den Roman «Blutbuch».
Bereits vor vier Jahren stand Schachinger, mit seinem Debüt «Nicht wie ihr» auf der Shortlist für den renommierten Literaturpreis. Damals ging dieser noch an
Saša Stanišić («Herkunft»).
Coming-of-Age-Roman über das «Zocken»
Nach der Welt eines Fussballstars nimmt sich der 31-Jährige in seinem zweiten Roman «Echtzeitalter» eine Wiener Eliteschule vor. Der Coming-of-Age-Roman erzählt die Geschichte des Gymnasiasten Till, der, ohne dass es jemand mitbekäme, zu den zehn besten Spielern der Welt eines Echtzeitstrategiespiels gehört.
Wie Till mit «Age of Empires 2» acht Schuljahre in einem hochkompetitiven Umfeld übersteht, das schildert Tonio Schachinger in seinem witzigen und berührenden Buch. Es geht um den Zerfall der Familie, um Freundschaften, die erste Liebe. Und natürlich ums Gaming, denn die Pubertät von Till spielt sich zu grossen Teilen im Netz ab.
Wer den Roman liest, kann danach vermutlich viel besser die eigenen Kinder, die Neffen, Nichten oder die Nachbarskinder verstehen, die permanent im Netz «zocken».
Jury lobt Aktualitätsblick
«Mit feinsinniger Ironie spiegelt Schachinger die politischen und sozialen Verhältnisse der Gegenwart: Aus gebildeten Zöglingen spricht die rohe Gewalt. Die Welt der Computerspiele bietet einen Ort der Fantasie und Freiheit», heisst es in der Begründung der Jury.
«Auf erzählerisch herausragende und zeitgemässe Weise verhandle der Text die Frage nach dem gesellschaftlichen Ort der Literatur. »
Insgesamt hatte die Jury in diesem Jahr 196 Romane von 113 deutschsprachigen Verlagen gesichtet.
Einordnende Worte des Gewinners
Bei seiner Dankesrede bedankte sich der junge, etwas schüchtern wirkende Tonio Schachinger explizit nicht bei der Jury für die Auszeichnung, denn diese habe ja nur ihren Job getan. Stattdessen bedankte er sich bei seiner Frau, von der er alles gelernt habe, was er wisse.
Auch zu Israel und den schrecklichen Ereignissen der letzten Woche mochte er sich nicht äussern. Nicht aus Desinteresse, sondern aus der Überzeugung heraus, dass er als «kleiner Schriftsteller», wie er sich nannte, keine grossen Reden zu halten habe. Trotzdem sagte er gleich im nächsten Satz, dass sich angesichts solcher Ereignisse die Bedeutung eines Buchpreises arg verringert.
Es sei einerseits schwer, nichts dazu zu sagen, aber auch sinnlos, etwas dazu zu sagen. «In diesem Dilemma befinden wir uns vielleicht alle ein bisschen.»
Eine Einschätzung der Preisvergabe von Michael Luisier
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Tonio Schachingers sympathischer Auftritt bei der Dankesrede war typisch für die gesamte Veranstaltung, die mehr als in anderen Jahren als Fest der Literatur daherkam.
Das lag auch an den eindrucksvollen Begrüssungsworten der Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt, Dr. Ina Hartwig, die leidenschaftlich darauf hinwies, dass die Verdrängung der Literatur aus der öffentlichen Diskussion nicht nur der Literatur selbst, sondern auch der Demokratie schade.
In diesem «Geiste einer gemeinsamen Sache» hatte man den Eindruck, sechs vollkommen verschiedene aber gleichsam grossartige Erzeugnisse einer Literatur vorgestellt zu bekommen, die alle nicht nur diesen Preis verdient hätten, sondern auch beste Werbung für die Literatur als Mittel eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses sind: Von der schmerzhaften Aufarbeitung der SED-Diktatur in Anne Rabes «Die Möglichkeit von Glück» bis hin zum übersprudelnden Fantasie- und Sprachzauber in Ulrike Sterblichs «Drifter».
Insofern kann man auch Tonio Schachingers Erfolg als plausibel und verdient bewerten, ohne damit die anderen Bücher abzuwerten. Tonio Schachinger ist ein begnadeter Erzähler und hat einen wunderbaren Internatsroman geschrieben.
Er beschreibt das Internat als Brutstätte einer Elite, der es nicht um Bildung, sondern um die Behauptung des eigenen Status geht. Er beschreibt die Abgründe von Drill und bildungsbürgerlichen Idealen und verbindet sie mit der Welt eines Teenagers, der sich als erfolgreicher Gamer eine eigene, von den Eltern nicht erreichbare Welt aufbaut.
Ein insofern auch typisch österreichischer Roman, als dass die oft nicht wirklich demokratische denkende tatsächliche Elite der Republik auf genüssliche Weise ihr Fett wegbekommt.
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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 17.10.2023, 07:00 Uhr
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