In ihrem neuen Buch wirft die streitbare deutsche Schriftstellerin Monika Maron einen Blick auf den heutigen Mann und stellt fest, dass er arg unter Druck steht. Warum ist das so? Ein Gespräch über Männer – und Frauen.
SRF: Monika Maron, in Ihrem neuesten Roman «Arthur Lanz» schreiben Sie über Helden. Dabei streifen Sie auch das Rollenbild des Mannes. Warum? Helden können doch auch Frauen sein.
Monika Maron: Das historische Bild eines Helden ist in erster Linie ein Mann. Es waren die Männer, die kämpfen mussten. Sie beschützten die Frauen, weil es für den Fortbestand der Menschheit nur einen Mann, aber viele Frauen braucht.
Darum also dieser männlich besetzte Begriff. Wobei ich natürlich auch meine, dass Frauen Helden sein können, denn das ist in erster Linie eine Frage von ungewöhnlichem Mut.
In Ihrem Buch bezeichnet eine Figur die Helden abwertend als «testosterongesteuert». So kommen Sie auf den Mann zu sprechen und seine derzeitigen Probleme. Wo liegen diese denn?
Das ist doch offensichtlich. Es findet gerade ein Kampf gegen die Männer statt. Das fing mit der Bezeichnung «alter weisser Mann» an und führte zur «toxischen Männlichkeit», die ja heute zum festen Begriff geworden ist.
Dieser Kampf hat damit zu tun, dass die Mädchen aus ihren festgelegten Rollen befreit werden sollten. Das ist richtig, aber dass man dafür die Jungen mädchenhafter machen will, leuchtet mir nicht ein.
Warum nicht? Es ist doch gut, wenn man sich gegenseitig annähert. Auch für Jungs.
Es gibt eine Studie mit hochbegabten Kindern, die frei entscheiden durften, was sie studieren möchten. Mädchen entschieden sich vorwiegend für die «weichen Fächer», also für den Umgang mit Menschen oder für die Kunst. Die Jungen für Naturwissenschaften.
Andererseits werden Jungen seit Jahren dazu erzogen, weniger jungenhaft zu sein und sich den Mädchen anzupassen. Und auch umgekehrt: Mädchen sollen jungenhafter sein.
Den Mädchen ist das gut bekommen. Den Jungen nicht.
Nehmen Sie die Mode. Oder schauen Sie sich die jungen Männer an, die sich ihre Kinder mit Tragetüchern um den Bauch binden. Von Weitem sehen sie aus, als wären sie schwanger.
Es wundert mich nicht, dass bereits am externen Uterus geforscht wird. Als ob es den internen nicht gäbe!
Welche Konsequenzen hat diese Entwicklung aus Ihrer Sicht auf die Männer?
Ich weiss es nicht genau. Ich beobachte nur, dass ein Teil der Männer verunsichert ist. Zumindest die, mit denen ich zu tun habe. Es wäre auch ein Wunder, wenn es nicht so wäre!
Wieso?
Weil sich die Position der Frauen grundlegend verändert hat. Sie sind anders, haben andere Berufe, stellen andere Ansprüche, haben eine eigene Lebensplanung. Aber wie sich das zwischen den Geschlechtern regelt, muss erst noch herausgefunden werden.
Das gleiche Recht ist da. Den Rest muss man sich halt erkämpfen.
Die Frauen haben erklärt, wie sie sich die Sache wünschen. Die Männer pegeln sich immer noch ein. Oder auch nicht.
Jedenfalls befinden sich die Männer in einer schwierigen Situation. Und wenn sie jetzt auch noch ständig bekämpft werden, ist das nicht fair.
Wie erklären Sie sich diese Heftigkeit des Kampfes? Ist das noch Kampf um Gerechtigkeit?
Es ist eine andere Generation, die heute den Ton angibt. Und es handelt sich nicht um die Mehrheit der Frauen. Wie es in manch anderen Dingen auch nicht um Mehrheiten geht, sondern um laute Minderheiten. Hier geht’s um Macht, nicht um Gleichberechtigung.
Das gleiche Recht ist ja da. Den Rest muss man sich halt erkämpfen.
Die Menschen kommen nun mal nicht alle gleich schön, gleich stark, gleich klug zur Welt. Es gibt immer Unterschiede, jeder muss um seine Position ringen.
Wenn die Frauen mehr Rechte haben wollen, dann müssen sie die eben durchsetzen. Doch das geht nicht mit Verordnungen und Beauftragten.
Sie kommen aus der DDR. Dort gab es ein Problem nicht, das im Westen tatsächlich ein grosses war: die fehlende ökonomische Unabhängigkeit der Frauen. Wie haben Sie das Thema damals erlebt?
Es war anders. Den Geschlechterkrieg wie im Westen gab’s nicht. Wir hatten andere Probleme. Wir hatten eine diktatorische Obrigkeit. Die betraf alle, Männer wie Frauen.
Hier geht’s um Macht, nicht um Gleichberechtigung.
Natürlich haben damals die Frauen mehr im Haushalt gemacht als die Männer. Aber die Männer machten mit. Es gab keine Handwerker, man konnte die Autos nicht reparieren lassen, man musste die Wohnungen renovieren. Das machten die Männer. Es war eine natürliche Arbeitsteilung, auch im Haushalt.
Zurück zur Gegenwart. Heute nähern sich die Geschlechter aneinander an, auch in ihren Aufgaben: Was geschieht mit der Anziehungskraft zwischen Männern und Frauen?
Es kann schon sein, dass sich eine Gruppe von Menschen aus dem Spiel der Geschlechter ausklinkt. Aber grundsätzlich glaube ich, dass sich die Natur ihre Bahn bricht. Die Anziehungskraft zwischen Männern und Frauen wird bestehen bleiben.
Das Gespräch führte Michael Luisier.