Für die Kabarettistin Irene Brügger alias Frölein da Capo ist klar: Ihr Lieblingstext von Franz Hohler ist «es bärndütsches Gschichtli», besser bekannt als «Totemügerli».
«Dieses Spiel mit der Sprache finde ich grossartig. Es ist Berndeutsch, aber es ist eben auch frei erfunden», erklärt die Willisauerin.
Das war ursprünglich gar nicht Franz Hohlers Absicht: «Ich wollte echte berndeutsche Ausdrücke verwenden. Dazu schrieb ich mir besondere Ausdrücke aus einem berndeutschen Wörterbuch heraus, aber es hörte schon beim Buchstaben A einfach nicht auf. Dann fand ich, ich könne die Ausdrücke eigentlich auch gleich selber erfinden.»
Mit dem «Totemügerli» ist dem Schriftsteller etwas Seltenes gelungen: Er hat Wörter erfunden, die es aus seinem Text in die Alltagssprache geschafft haben, etwa «aaschnäggele».
Ein Meister der Übersetzung
Zum grossen Werk von Franz Hohler gehören auch viele Übersetzungen, vor allem von Gedichten und Liedern. So hat er etwa die Beatles und Bob Dylan, Goethe und Horaz ins Schweizerdeutsche übersetzt.
Der Mundartautor Pedro Lenz findet besonders Hohlers «Dr Dienschtverweigerer» gelungen, eine Übersetzung von Boris Vians Anti-Kriegs-Chanson «Le déserteur».
Das Original beginnt so:
«Monsieur le président,
je vous fais une lettre,
que vous lirez peut-être,
si vous avez le temps.»
Hohler übersetzt die erste Strophe wie folgt:
«Herr Oberschtdivisionär
dir gseht, dass i nech schrybe
chönnt s Läsen au lo blybe
dir heit's jo süsch scho schwär.»
Pedro Lenz findet Hohlers Übersetzung grossartig: «Sie ist frei, ungezwungen, wohlklingend – und trotzdem nahe am Original.» Tatsächlich übernimmt Hohler Versmass und Reimschema (abba) von Vian, überträgt den Inhalt aber vom französischen Kriegsgegner auf einen Schweizer Militärdienstverweigerer.
Hohler gelang dieser Kulturtransfer so gut, dass er noch 1983 seine Übersetzung nicht im Deutschschweizer Fernsehen spielen durfte, während das französische Original unbehelligt im Radio lief.
Das Lachen darf nicht zu kurz kommen
Viele von Franz Hohlers Texten sind politisch: Darin setzt er sich gegen Krieg, Atomstrom oder Umweltzerstörung ein. Aber noch präsenter in seinem Werk ist der Humor.
Dafür dachte er sich auch immer wieder lustige Figuren aus, etwa den «Theaterdonnerer», der dem Publikum bierernst und mit vollem Körpereinsatz erklärt, wie im Theater Donnergeräusche erzeugt würden.
Der Kabarettist Michael Elsener bewunderte schon als Kind, mit welchem absurden Engagement Hohlers «Theaterdonnerer» seinen Beruf vorstellte: «Irgendwann hatte ich das Gefühl, in jedem Theater gebe es so einen Donnerer.»
Auch für Franz Hohler ist die Leidenschaft des «Theaterdonnerers» zentral: «Er macht etwas völlig Unbedeutendes, das viel grösser ist als er selbst, und er macht es mit vollem Enthusiasmus.» Das sei in erster Linie lustig, rege aber auch zum Denken an. «Wirklich Lustiges hat immer auch einen Hintersinn», ist Hohler überzeugt.
Die Katastrophe lauert um die Ecke
Der Liedermacher und Kabarettist Manuel Stahlberger ist begeistert von Hohlers Lied «Uf eme Brüggli über d'Autobahn». Franz Hohler nimmt darin ein alltägliches Bild – das von Menschen auf einer Autobahnbrücke, die man sieht, wenn man unter der Brücke durchfährt – und spinnt es weiter ins Drastische.
Am Schluss heisst es:
«Si mole sech's no us, und derwile stoht scho fescht
wär vo dene Buebe mol e Wage wird schtüüre
und bi däm Unfall sis Läbe mues verlüüre
undrem Brüggli über d Autobahn z Köllike-Wescht.»
Manuel Stahlberger erschaudere jedes Mal, wenn er das Ende höre: «In diesem Lied steckt so viel Leben und gleichzeitig so viel Tod.»
Ihm gehe es darin um die Möglichkeiten eines Lebens, erklärt Franz Hohler: «Die Katastrophe ist immer eine Option.» Über den Zufall, von dem so vieles im Leben abhänge, denke er oft nach.
Die Sprache unter der Lupe
Der Autor ist ein aufmerksamer Beobachter unserer Alltagssprache. Gerne pickt er einzelne Wörter oder Floskeln heraus und seziert sie regelrecht. So befasst er sich mit dem unscheinbaren Wörtchen «schnäll» im gleichnamigen Gedicht.
Die immer schneller und atemloser werdende Abfolge von Redewendungen mit «schnäll» («schnäll i Chäller, schnäll zum Dokter, schnäll go poschte») kulminiert im Satz «schnäll go läbe» – und bringt die Kritik an der modernen Schnelllebigkeit auf den Punkt.
Für den Poetry-Slammer und Kabarettisten Dominik Muheim trifft Hohlers Gedicht ins Schwarze: «Man erkennt sich darin wieder. Der Text bringt einen zum Schmunzeln, hat aber auch etwas Trauriges.» Gleichzeitig freue er sich an der vertieften Auseinandersetzung mit der Sprache.
Bis heute fasziniert die Alltagssprache Franz Hohler. Er bedauere, dass er schöne Mundartwörter wie «chräschele», «chräsme» oder «boosge» immer seltener höre. Aber auf der anderen Seite finde er auch spannend, was Neues aufkomme: «‹Cringe› zum Beispiel. Da frage ich mich: Wie ist das wohl zustande gekommen? Wer hat das aufgebracht?»
Auch in seinem neunten Lebensjahrzehnt wird uns Franz Hohler wohl genau aufs Maul schauen – und dabei schelmisch lächeln.