Der Dichter Jean Cocteau soll über Charles Aznavour gesagt haben, er habe das «Verzweifeln» beliebt gemacht. In seiner rauen Tenorstimme sang Aznavour über die Vergänglichkeit des Lebens, von unerwiderter Liebe oder von Fernweh nach südlichen Ländern. Songs, denen man sich einfach hingeben kann.
Dass Aznavour zum französischen Weltstar wird, ist einer Folge von Zufällen zu verdanken. Seine Eltern fliehen 1924, kurz vor seiner Geburt, vor dem Völkermord in Armenien.
Von der grossen Piaf entdeckt
In Paris warten seine Eltern auf das amerikanische Visum. Doch dann kündigt sich ihr zweites Kind an: Chahnour Vaghinag Aznavourian. Die Familie bleibt in Paris und führt ein Restaurant. Das Geld ist knapp und so tritt der neunjährige Charles, damals noch Chahnour, regelmässig vor den Gästen auf.
1946 erfährt Édith Piaf von dem 22-Jährigen und nimmt ihn in ihre Entourage auf. Fortan komponiert Aznavour Chansons für sie und spielt manchmal im Vorprogramm. Als sich ihre Wege nach dem Zweiten Weltkrieg trennen, beginnt Aznavour seine Solo-Karriere. 1956 ist das Jahr seines Durchbruchs – bei einem Konzert im marokkanischen Casablanca.
Kleiner Mann kommt gross raus
In seiner Heimat Frankreich ist der Weg steinig. Jahrelang ist er gnadenlosen Verrissen der Presse ausgesetzt. Als «Zwerg mit Krächzstimme» wird der 161 Zentimeter kleine Aznavour bezeichnet.
Doch diese Stimme – rau, kräftig und voller Vibrato in den tiefen Tönen – soll zu seinem Markenzeichen werden. Sie habe etwas von einem Muezzin, sagt er selber, auch etwas Persisches oder Nordafrikanisches.
Die Gunst des französischen Publikums gewinnt der Sänger rasch. Kurz nach seinem Erfolg in Casablanca spielt er zum ersten Mal im L’Olympia – dem Epizentrum des französischen Chansons.
Er komponiert dafür eigens seinem ersten Hit: «Sur Ma Vie». Fortan füllt er die Säle – nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland, Italien, England, Polen, Russland und Amerika.
Mehrsprachige Melancholie
Seinen internationalen Erfolg verdankt Charles Aznavour auch seinen Sprachkenntnissen. In über neun Sprachen bringt er Songs heraus, von Deutsch bis Portugiesisch und natürlich auch auf Englisch. Texte, die vielleicht für manche zu kitschig sind und denen man sich beim Zuhören aber einfach hingeben muss.
Herzzerreissend schön singt Aznavour beispielsweise im Song «She» von «ihr», die «the beauty or the beast» oder «the mirror of my dreams» sein könnte. Das Stück kommt, in der Version von Elvis Costello, in der Kult-RomCom «Notting Hill» vor und wird zum Riesenhit.
Der politische Aznavour
Charles Aznavour hat auch neben der Bühne immer was zu sagen, äussert sich regelmässig über politische Ereignisse. Besonders das Erdbeben in Armenien von 1988 mit 25‘000 Toten und über einer Million Obdachlosen markiert in seinem Leben einen Wendepunkt.
Er nimmt mit über 80 Künstlerinnen und Künstlern das Chanson «Pour toi» auf und gründet die Organisation «Aznavour pour l'Arménie». Er wird Vertreter des Landes bei der Unicef, ist armenischer Botschafter in der Schweiz und vertritt sein Land bei der Uno. Eine Sache ist ihm dabei sehr wichtig: die Anerkennung des armenischen Völkermordes. 2008 bekommt er die armenische Staatsbürgerschaft.
2018 stirbt Charles Aznavour in Paris und hinterlässt dabei einen der wohl grössten Schätze: Musik, die bis heute berührt.