«Geh’n Sie mit», tönt es im «Konjunktur-Cha-Cha». Immer wieder «Geh’n Sie mit». Ein Sound, fast wie bei der Elektropop-Band Kraftwerk. Der Text kritisiert den Kapitalismus. Im Musikvideo dazu sehen die Musiker aus wie die grauen Herren aus der «Momo»-Verfilmung.
Nur: Der «Konjunktur-Cha-Cha» ist ein Schlager von 1961, mitten im Nachkriegsboom. Das war zehn Jahre vor Kraftwerk und über 20 vor der Literaturverfilmung zu «Momo». Und überhaupt: Musikvideos anfangs der 1960er-Jahre? MTV gehört in die 80er-Jahre und YouTube und Instagram waren in weiter Ferne.
Ein Visionär im Show-Business
Aber der 2012 verstorbene Musiker und Sänger Hazy Osterwald war ein Visionär. Wenn wir schon öffentlich auftreten, müssen wir auch etwas fürs Auge bieten. Das war sein Credo, und daran hielt er sich.
Also mussten seine immer erstklassigen Musiker auch Tanzschritte und Choreografien einüben – murrend vielleicht, aber genau diese Kombination machte Hazy Osterwald und sein Sextett in den 1950er- und 60er-Jahren zum «Mass aller Dinge» in Sachen Show-Business.
Eine geteilte Leidenschaft für den Jazz
Das sagt auch Pepe Lienhard – und er muss es wissen, ist er doch selbst seit vielen Jahrzehnten genau dort erfolgreich. Für ihn war Hazy Osterwald das erste und grösste Vorbild, später wurde er zu einem Mentor und Freund.
Eine Freundschaft, die auch eng verbunden ist mit einer geteilten Leidenschaft für den Jazz. Denn als Trompeter und Vibrafonist, als Komponist und Arrangeur war Hazy Osterwald lange Jahre vor allem das: ein hervorragender Jazzmusiker.
Nichts zu verstecken
In seinen Anfängen spielten er und seine immer brillanten Solisten astreinen West-Coast-Jazz. Sie mussten sich damit vor ihren US-amerikanischen Kollegen keineswegs verstecken. Im Gegenteil: Der grosse Klarinettist Benny Goodman soll ganz blass geworden sein, als er den genialen deutschen Klarinettisten Ernst Höllerhagen hörte, ein langjähriges Bandmitglied von Hazy Osterwald.
Noch in den 1960er-Jahren, als Hazy mit seiner Band schon von Fernseh-Show zu Fernseh-Show eilte, spielte das Sextett in Basel ein bemerkenswertes Jazzalbum ein. Und als er sich schliesslich, nach ein paar wirtschaftlichen Tiefschlägen, Mitte der 1990er-Jahre wieder aufrappelte, tat er das als Jazz-Vibrafonist.
«Mitgeh’n» mit dem Showman
Wenn Hazy Osterwald heute vor allem mit dem «Konjunktur-Cha-Cha» oder seinem «Kriminal-Tango» und den dazugehörigen Videos in Verbindung gebracht wird, so greift das einerseits zu kurz – sein Sextett war so viel mehr als eine Schlagerband. Er und seine Musiker konnten richtig loslegen, jeder einzelne von ihnen.
Andererseits ist es genau richtig: Hazy Osterwald war immer auch Showman.
Aus heutiger Sicht, wo sich Musikerinnen und Musiker immer auch als Videoschaffende auf den Social-Media-Plattformen präsentieren müssen, wird klar: Hazy Osterwald war nicht nur einer der Väter des Musikvideos. In seinem angstfreien Umgang mit dem damals neuen Medium Fernsehen ist er noch heute ein Vorbild für alle, die mit den neuesten Trends «mitgeh’n» wollen. Und dabei gute Musik machen.