Das Wichtigste in Kürze:
- SRF-Produzent Markus Wicker kennt Polo Hofer nicht nur als Mundart-Pionier, sondern auch als leidenschaftlichen Musikfan.
- Mit Musik, die ihn inspirierte, beschenkte Polo Hofer seinen Bekannten- und Freundeskreis.
- Bei seinem letzten Fernsehauftritt im vergangenen Herbst trotzte der Popstar seiner angeschlagenen Gesundheit und ehrte sein Idol Bob Dylan.
Bis zum letzten Moment fragten wir uns, ob der sichtlich angeschlagene Polo seinen Auftritt im Zürcher «El Lokal» meistern würde. Er wäre an diesem Maitag im vergangenen Jahr zum Intensivuntersuch ins Spital bestellt gewesen.
Nichts da, befand der leidenschaftliche Dylan-Jünger. Wenn der «Dichterfürst» zum 75. Geburtstag geehrt werde, gebe es keine Ausreden. Rückblickend war es das letzte Musikgeschenk, das mir Polo bescherte. Und Geschenke hatte er mir viele gemacht – aber dazu später.
Autobahn statt Highway
Polo Hofer sang mit Toni Vescoli «Highway 61 Revisited»: den Dylan-Song hatten sie beide auf Mundart eingespielt. Für diese «Dylan Birthday Party» schuf Polo eigens eine neue Strophe – verblüffend treffsicher mit einer Handy-Referenz im Text, die diese Bearbeitung unverkennbar in die Neuzeit katapultierte.
Leidenschaft für Mundart und Musik
Und dann: seine letzte Soloperformance am TV, «Maa im schwarze Chleid» nach Dylans «Man in the Long Black Coat». Es wurde still im Lokal.
Dass er einen Dylan-Song interpretierte, passte perfekt. Denn Hofer war nicht nur Mundartrock-Pionier und Popstar. Er war auch der neugierigste und bestdokumentierte Musikfan, den man sich vorstellen kann.
Noch grösser als sein Sinn für berndeutsche Zeilen und Pointen war seine Leidenschaft für die Songs, die ihn selbst befeuerten.
Superhit als Mundraub?
Neben Bob Dylan auch die Musik von Little Feat, deren «Dixie Chicken» er zum Superhit «Kiosk» umgedeutet hatte. Genau um diesen undeklarierten Mundraub ging es bei unserer allerersten Begegnung, einem Live-Interview beim damaligen DRS 3, schätzungsweise 1986.
Doch wir wurden durch diese Auseinandersetzung nicht zu Gegnern, sondern zu Musikbrüdern im Geiste, wenn ich das einmal pathetisch ausdrücken darf.
Wertvolle Gaben
Jahre später kopierte mir Polo die umwerfenden Gospelsänger «Swan Silvertones» von der raren LP auf eine CD.
Und noch viel später schenkte er mir mit Paul Thorns «Mission Temple Fire Works Stand» ironischerweise ein Konzeptalbum rund um Glaube, Zweifel und Kirche. Für mich eine neue Stimme aus den Südstaaten, die mich seither immer wieder umtreibt.
Musikalisches Sensorium
Fast besser als die Reise in die Groovestadt New Orleans waren die Anekdoten, die sich hinterher erzählen liessen und die Songs, die man dazu hören konnte.
Ich staune bis heute, wie feinfühlig der Musikmissionar Hofer sein Gegenüber und dessen musikalisches Sensorium einschätzen konnte.
Auf unbekannten Spuren
Aus seinem Bekannten- und Freundeskreis hört man das ebenfalls: Wer mit Polo zu tun hatte, wurde mit Musik beschenkt.
Seinen Mitmusikern eröffnete er in nächtelangen Wein- und LP-Sessions neue Welten. Seine Fans schickte er dank seinen Songs auf bislang unbekannte Spuren.
Das letzte Geschenk
Deshalb ist es mir im Moment wenig Trost, wenn ich die Beteuerungen lese, dass Polo in seinen Liedern weiterlebe. Das stimmt, ja – aber der Musikmissionar ist abgetreten.
Tröstlich ist für mich eher dies: Er hinterlässt Jünger, Bekehrte, Gläubige, auch einige Zweifler. Und einen Kanon von eigenen und fremden Songs, die sich weiter verschenken lassen.