Zum Inhalt springen
Audio
Adieu Aretha Franklin! – Musikredaktor Eric Facon über die Soul-Queen
Aus Kultur-Aktualität vom 16.08.2018. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 13 Minuten 31 Sekunden.

Aretha Franklin würde 80 Sie war die Queen of Soul und die Queen of Gospel

Sie war eine der grössten Stimmen der Soul Music der 60er-Jahre – die meisten Platten verkaufte sie aber mit einem Gospel Live-Album. Nun wäre die 2018 verstorbene Sängerin 80 Jahre alt geworden.

Aretha Franklin war vor allem bekannt für ihre Stimme, ein durchdringendes, mitreissendes Organ, mit dem sie die Massen bewegen konnte.

Diese Wirkung gab’s in drei Minuten-Explosionen, kurzen Stücken wie «Respect», «Think» oder «Chain of Fools», aber auch in Balladen wie «A Natural Woman».

Nicht nur im Studio, auch auf der Bühne wusste die Frau zu überzeugen, wie zwei sehr unterschiedliche Live-Alben der frühen 70er-Jahre zeigen.

Das Live-Album aus dem Rocktempel

Zuerst auf die weltliche Bühne: Im März 1971 gastiert Aretha Franklin im Fillmore West in San Francisco. Es ist ein prestigeträchtiger Auftritt im Rocktempel, der zudem für die Nachwelt aufgenommen werden soll.

Begleitet wird Franklin dabei nicht von ihrer üblichen Band, sondern von King Curtis und den Memphis Horns, einer mit allerlei Stars besetzten Truppe. Als Gäste zudem dabei: Keyboard-Veteran Billy Preston und Ray Charles.

Aretha Franklin am Klavier, daneben steht Ray Charles mit Mikrofon.
Legende: Zwei Ikonen, eine Bühne: Aretha Franklin und Ray Charles beim Konzert im Fillmore West in San Francisco, 1971. Getty Images

Stimmliche Explosion und Kampfansage

Was sich bereits auf den Studioaufnahmen zeigt, wird hier auf beinahe unwirkliche Art demonstriert: Aretha Franklin ist ein Energiebündel, eine förmlich stimmliche Explosion.

Den Einstieg macht die pre-feministische Kampfansage «Respect», welche die Band in furiosem Tempo vorträgt. Franklin lässt sich anstecken und scheint der brodelnden Musik der Band davonzueilen.

Power bis zum Schluss

Ihre weiteren Hits lässt Franklin grösstenteils aus, stattdessen macht sie sich weisse Pop-Stücke zu eigen, die dem Hippie-Publikum der Westküste bekannt sind: So wird Paul Simons «Bridge Over Troubled Water» Gospel-Hymne, die der Song immer sein sollte, «Eleanor Rigby» von den Beatles ein funkiges Stück Soul Music.

Genauso energiegeladen geht es bis zum Schluss weiter. Am Ende fühlt man sich ebenso zufrieden und verausgabt wie das hörbar mitgerissene Publikum.

Aretha Franklin singt.
Legende: Die Welt der Soul-Musik ist ohne sie kaum denkbar: Aretha Franklin. Getty Images

Das Live-Album aus der Kirche

Eine andere Aretha gibt es auf dem folgenden Live-Album «Amazing Grace» vom Januar 1972. Die Bühne ist die New Temple Missionary Baptist Church in Los Angeles.

Kein unüblicher Schritt für eine Soul-Sängerin, denn Aretha ist wie viele ihrer Zeitgenossen aus diesem Stil ein Kind der Kirche. Ihr Vater Clarence LaVaughn Franklin war ein bekannter Baptistenprediger. Sie sang mit ihren beiden Schwestern im Chor.

Musik-Rausch im Gottesdienst

«Erinnert Euch daran, dies ist ein Gottesdienst», sagt Reverend James Cleveland wie zur Warnung vor zu viel Ekstase und fährt fort: «Wenn etwas schief gehen sollte, schreit Ihr bitte Amen!»

Was dann folgt, ist eine eindringliche Performance, eine andere Art musikalischer Ekstase als noch im Fillmore West. Es geht um Beziehungen – zu Gott, zur Gemeinschaft.

Band, Kirchenchor – und Franklins Stimme

Die musikalische Darbietung ist packend: eine solide Begleitung der fast gleichen Band wie im Fillmore, dazu ein mächtiger Kirchenchor und darüber diese vor Gefühl überbordende Stimme, die alles beherrscht.

Ruhige Songs wie Marvin Gayes «Wholy holy» (einer der wenigen aus dem Kanon der populären Musik) wechseln mit intensiveren Passagen, auf die jedes dieser langgezogenen Stücke zustrebt.

Video
Eine Stimme für die Ewigkeit
Aus SRF News vom 16.08.2018.
abspielen. Laufzeit 59 Sekunden.

Aretha Franklin auf dem Karriere-Höhepunkt

«Amazing Grace» wurde zum Überraschungserfolg: Das Album wurde mit einem Grammy ausgezeichnet und ist bis heute das meistverkaufte Live-Album der Gospelgeschichte. Und vor allem der grösste Bestseller in Aretha Franklins 60-jähriger Karriere.

Beide Alben zusammen zeigen eine der grossartigsten Sängerinnen der Geschichte auf ihrem Höhepunkt, eine Vokalistin, die mit einem Fuss in der religiösen und mit dem andern in der weltlichen Musik zuhause war.

Am 16. August 2018 ist Aretha Franklin gestorben – am 25. März 2022 wäre sie 80 Jahre alt geworden.

Meistgelesene Artikel