Im Interview gibt Joana Mallwitz klare Anweisungen: «Nicht zu privat fragen bitte, ja?» Auch beim Dirigieren ist sie direkt: «Die Akzente müssen durch das Orchester ziehen», sagt sie zu den Musizierenden des Tonhalle-Orchesters Zürich, zeigt mit zackigen Bewegungen und singt vor, wie dieser Verlauf klingen soll.
Sie spricht schnell und bestimmt, fast hektisch manchmal, aber ihre Erklärungen kommen an: Die Stelle im Violinkonzert von Bryce Dessner hat jetzt mehr Kontur.
Über Musik spricht sie aber gerne, wie über ihren Liebling Franz Schubert und dessen «Unvollendete»: «Er verbindet Intimität und grosse Sinfonik, und macht das Jenseits hörbar.» Die Partitur dieses Werks zu lesen, sei eines ihrer Erweckungserlebnisse gewesen. Dabei habe sie beschlossen, Dirigentin zu werden.
In der Hochbegabtenklasse
Angefangen hat alles am Klavier. Die Hildesheimerin begann dreijährig, ihre Mutter brachte ihr die ersten Töne bei. Später kam Geige dazu, und als Teenager wurde sie in der Hochbegabtenklasse der Hochschule in Hannover ausgebildet. Sie studierte – wie ihr guter Freund Igor Levit – in der Wettbewerbsschmiede des einflussreichen Klavierpädagogen Karl-Heinz Kämmerling.
Eine Klavierkarriere hatte sie aber nie im Sinn, lernte zusätzlich Dirigieren bei Martin Brauss und Eiji Oue. Als Korrepetitorin trat sie bereits 19-jährig ihr erstes Engagement am Theater an.
18 Jahre hat sie seither an verschiedenen Opernhäusern als Dirigentin gewirkt, die Hälfte der Zeit in leitender Funktion als Chefdirigentin (Theater Erfurt) oder Generalmusikdirektorin (Staatstheater Nürnberg). Sie gastierte an vielen der bedeutendsten Häuser in Europa, sowohl mit Oper als auch mit Sinfonik – hauptsächlich mit Werken des klassisch-romantischen Repertoires, Schuberts Opern hat sie indes noch nicht entdeckt.
Die Frage, wie sie diese energie- und zeitintensive Karriere als Dirigent (sie verwendet das generische Maskulinum) mit ihrem Familienleben als Mutter unter einen Hut bringt, beantwortet sie knapp: «Das ist ein grosses Puzzle und eine grosse Organisation, wo man wirklich ein sehr gutes Team braucht».
Ein wichtiges Teil dieses Puzzels ist ihr Mann, der Tenor Simon Bode. Er packt mit an – mit Humor und Gelassenheit, wie man im neuen Portraitfilm «Momentum» des mit Mallwitz befreundeten Regisseurs Günter Atteln sehen kann. Sonstige Interessen oder Inspirationen? «Es gibt nur die Musik.»
Begnadete Vermittlerin
Seit 2023 leitet Mallwitz das Berliner Konzerthausorchester und hat dort die «Night Sessions» etabliert. Hier kommen verschiedene Musikgenres zusammen. Auch ihr Vermittlungstalent an Pult, Klavier und Mikrofon kann sie dort mit ihren beliebten «Expeditionskonzerten» weiterhin einbringen, ganz nach dem Vorbild von Leonard Bernsteins «Young People's Concerts».
Wie im Nürnberger und Berliner Antrittskonzert interpretierte sie die 1. Sinfonie eines ihrer weiteren Favoriten, Gustav Mahler, jetzt auch effektgeladen bei ihrem Debüt beim Tonhalle-Orchester Zürich.
Bald in Luzern?
Der künftige Intendant von Lucerne Festival, Sebastian Nordmann, hat sie nach Berlin geholt. Auf die Frage, ob sie demnach bald beim Lucerne Festival zu erleben sein wird, antwortet sie: «Das müssen Sie ihn fragen. Das weiss ich nicht.» Und eilt zur nächsten Probe.