Die beiden Rapper Kollegah und Farid Bang wurden für ihr Album «Jung, Brutal, Gutaussehend 3» mit dem deutschen Musikpreis Echo ausgezeichnet.
Die beiden standen vor der Auszeichnung bereits in der Kritik – wegen Antisemitismus. In ihrem neuen Album heisst es: «Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen» und «Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow».
Yves Kugelmann, Chefredaktor des jüdischen Wochenmagazins Tachles und Rapmusik-Hörer, spricht über den Skandal, der immer weitere Kreise zieht. Mittlerweile haben verschiedene Preisträger als Protest ihre Auszeichnungen zurückgegeben.
SRF: Sie haben die Echo-Verleihung verfolgt. Was war Ihre Reaktion?
Yves Kugelmann: Der Rap von Kollegah oder Farid Bang ist frauenfeindlich und homophob. Dass der Aufschrei erst kam, als er auch antisemitisch wurde, ist mehr als befremdlich.
Die kritisierten Zeilen sind jeder Hinsicht geschmacklos, aber es sind sicher nicht die problematischsten Zeilen des deutschen Rap.
Die Nominierung der Rapper war bereits im Vorfeld umstritten. Allerdings gehörte die Platte «Jung brutal gutaussehend 3» nun mal zu den meistverkauften Alben des Jahres.
Die ganze Geschichte hängt sich an der Ethikkommission des Echo auf. Man kann ja die Verkaufszahlen nicht negieren.
Aber wenn eine Ethikkommission, die eben nicht mit Zahlen argumentieren muss, zum Schluss kommt, solche Lieder sind okay und dürfen ausgezeichnet werden, dann erstaunt das schon sehr.
Die Kommission hat mit Kunstfreiheit argumentiert.
Kunstfreiheit ist kein Freipass für jede Idiotie, und nicht jede Idiotie ist Kunst. Die Freiheit der Kunst und die freie Rede sind ein hohes Gut, das respektiert und nicht ad absurdum geführt werden soll. Politische Parolen in Musik verpackt sind nicht per se Kunst.
Auch Kollegah und Farid Bang sagen, es gehe ihnen nicht um eine politische Meinung. Sondern um Kunst.
Rap ist politisch – also nicht parteipolitisch, aber sicher politischer als zum Beispiel das Musikantenstadl. Wer das Privileg hat, eine öffentliche Plattform nutzen zu können, steht automatisch in der Verantwortung.
Der Text ist ja nicht mal provokativ. Er ist beleidigend, opferverhöhnend.
Es gibt in unserer Gesellschaft eben den Unterschied zwischen privat und öffentlich: Dass man Dinge, die man privat sagt, so nicht öffentlich sagen darf.
Ein anderes Argument lautet, Provokation sei ein wichtiges Stilmittel im Rap. Reicht Ihnen das, um über solche Zeilen wie die von Kollegah hinwegzusehen?
Einverstanden: Provokation ist ein wichtiges Mittel der Kunst. Demgegenüber steht aber zum Beispiel das Persönlichkeitsrecht eines Individuums. Gangster-Rap ist definitiv ein Genre, das für Aussenstehende sehr schwer zu verstehen ist.
Natürlich ist Provokation Teil der Kunst, und das ist gut so. Aber hier sehe ich nicht die Provokation. Der Text ist ja nicht mal provokativ. Er ist beleidigend, opferverhöhnend.
In einer offenen Gesellschaft sind Opfer, beziehungsweise potentielle Opfer, also Schwächere, geschützt. Das heisst, auch in der Kunst muss man fragen: Wer wird hier angegriffen? Auf wen wird gezielt?
Wenn die Politik, die Herrschenden das Ziel sind, verhält es sich anders, als wenn man auf Minderheiten zielt – seien es Juden oder andere.
Was sagt das über die deutsche Gesellschaft aus, wenn Rapper wie Kollegah die meisten Platten verkaufen?
Das sagt nichts über die deutsche Gesellschaft aus. Es ist ein Zeichen, dass diese Art von Rap ein – übrigens internationales – Phänomen darstellt, das man nicht ignorieren kann.
Deshalb ist es gut, dass diese Diskussion jetzt geführt wird. Hoffentlich länger als ein paar Tage.
Das Gespräch führte Kathi Lambrecht