April 1970, die Beatles trennen sich. In der öffentlichen Meinung waren die Rollen schnell verteilt. Auf der einen Seite der Bösewicht Paul McCartney, der die Trennung veranlasst haben soll. Auf der anderen die Opfer: John Lennon, George Harrison und Ringo Starr.
Die Wahrheit war – wie stets bei Beziehungskisten – weitaus komplexer. Lennon hatte schon Monate zuvor die Scheidung verlangt. Das erfuhr man damals aber nicht.
Kurz nach der Trennung erschienen die ersten Solo-Alben der vier Ex-Beatles. Damit waren endgültig die Weichen gestellt, was die Wahrnehmung der Musik der beiden einst unzertrennlichen Singer-Songwriter Lennon und McCartney angeht. Lennon, der im Wesentlichen über sich schreibt, im Gegensatz zu McCartney, der öfters auch mal fiktive Geschichten entwirft.
Befreiung vom emotionalen Ballast
McCartney erstes Solo-Projekt war ein hausgemachtes Album, alles eigenhändig eingespielt und dementsprechend rau und etwas unfertig rumpelnd, dazwischen ein paar hübsche Balladen.
Lennon dagegen befreite sich von allem emotionalem Ballast, liess die Welt teilhaben an seiner Liebe zur japanischen Künstlerin und Performerin Yoko Ono, an seiner politischen Haltung und an seiner Schreitherapie – ein wahrer Rock’n’Roller.
Sein Leben hatte Songtext-Potenzial
Es gab in der Tat viel zu schreien für Lennon. Seine frühe Jugend war geprägt von abwesenden Eltern, einem Vater, der zur See fuhr, eine Mutter, die zu lebenslustig war, um sich um den Sohn zu kümmern. Das überliess sie ihrer grossen Schwester. Lennon wuchs bei seiner strengen Tante Mimi auf.
Kaum entstand neuer Kontakt zur Mutter, wurde diese von einem Auto überfahren. Lennons Leben liest sich dramatisch und ergab reichlich Material für Songs.
John über John
Selbst zu Beatles-Zeiten schienen Lennons Songs nur von ihm selbst und seinen Gemütszuständen zu handeln – mit Ausnahme einer Handvoll psychedelischer Songs von Mitte der 1960er-Jahre.
«Help», «Nowhere Man» und viele andere waren eigentliche Hilfeschreie eines zutiefst unsicheren Musikers, der es zu Weltruhm gebracht hatte, selbst aber seine kräftige, ausdrucksstarke Rock’n’Roll-Stimme nicht mochte.
Apelle und politisches Engagement
So ging das in Lennons Solo-Karriere weiter, mit Stücken wie «Mother» oder «My Mummy’s Dead» über die verlorenen Eltern, «God», einer Absage an alle Idole, und stete Appelle an den Frieden auf der Welt, etwa «Give Peace a Chance».
Sein politisches Engagement brachte ihm auch viele Probleme mit dem US-amerikanischen Geheimdienst und den Einwanderungsbehörden. Der angesehene britische Künstler war in ihren Augen ein Sicherheitsrisiko.
Musikgeschichte schreiben und Kind erziehen
John Lennons Leben als Solokünstler war ebenso lang wie das als Beatle: zehn Jahre. Wobei er fünf seiner letzten zehn Jahre als Brot backender und Kind erziehender Hausmann verbrachte.
Es waren vielleicht die glücklichsten Jahre seines Lebens. Lennons letztes Album «Double Fantasy» deutete mit seinem positiven Grundton darauf hin.
Das Album sollte sein Comeback werden. Doch dazu kam es nicht. Knapp zwei Monate nach seinem 40. Geburtstag starb John Lennon am 8. Dezember 1980 durch fünf Schüsse aus einem Revolver.