«Ziemlich verrückt» fand Stephanie Economou schon ihre Nominierung. Angesichts der Konkurrenz habe sie überhaupt nicht damit gerechnet.
Nun gewann Economou den Grammy für ihren Soundtrack für das Videospiel «Assassin’s Creed Valhalla: Dawn of Ragnarök». Er klingt roh, mysteriös, episch und versetzt Spielende in eine andere Welt.
Gott unter Zwergen
«Dawn of Ragnarök» ist ein typisches Action-Adventure-Spiel: Als Gamer kontrolliert man die Figur von Odin, den nordischen Gott der Schlacht und der Weisheit, und kämpft in einem Zwergenreich namens Svartalfheim gegen Feinde aus Feuer und Eis.
In dieser Welt verbrächten die Spielenden viele Stunden, Tage, manchmal Wochen. Darum habe sie als Komponistin eine grosse Verantwortung, sagt Economou: «Ich gebe den Ton an, ich bestimme das Tempo und trage mit meiner Musik so zum Erlebnis der spielenden Person bei.»
Der Zufall führte Regie
Dass sie Komponistin werden will, weiss Stephanie Economou schon als Teenager. «Ich habe einen eklektizistischen Musikgeschmack», sagt die 32-Jährige.
Als Kind hört Economou mit ihren Eltern Rockmusik, in der Schule lernt sie Geige. Im Orchester verliebt sich in die klassische Musik, in Wagner, Beethoven, Bartok, Bach und Schostakowitsch. So sehr, dass sie Komposition studiert.
Zur Videogamemusik kommt Economou eher zufällig. Nach dem Studium hat Economou unter anderem die Soundtracks zur Netflix-Serie «Jupiter’s Legacy» und zur Dokuserie «Marvel’s 616» für Disney+ geschrieben und bei grossen Filmproduktionen mitkomponiert.
Keine Erfahrung? Egal
Eines Tages klingelt Economous Telefon. Ob sie die Musik zum neuesten Teil von «Assassin’s Creed Valhalla» schreiben möchte, fragt das Videospielunternehmen Ubisoft. Dass sie keinerlei Erfahrung hatte, war dem Unternehmen egal.
Generell sei die Videospielbranche offen für Frauen und jüngere Komponierende mit einer neuen Stimme, so Economou: «Sie geben einem eine Chance, auch wenn man noch keinen grossen Namen hat.»
Scheitern erlaubt
Economou nutzt die Chance, schreibt den Soundtrack zu «Assassin’s Creed Valhalla: Siege of Paris» und «Assassin’s Creed Valhalla: Dawn of Ragnarök». Dafür experimentiert sie mit verschiedenen Musikgenres – im Fall von «Dawn of Ragnarök» mit Black Metal.
Das langsame Tempo, verzerrte Sounds, grungige tiefe Bässe, Growlen – «dieses ganze Black-Metal-Gefühl» – passt aus ihrer Sicht perfekt zu den Kämpfen zwischen Odin und Surtr, dem Helden und einem Feuerriesen.
Vom Boom profitiert die ganze Branche
Die Gaming-Industrie ist ein Riesen-Geschäft: Rund 3.2 Milliarden Menschen gamen, die Branche hat laut dem Marktforschungsinstitut Newzoo 2022 184 Milliarden US-Dollar eingenommen. Das ist mehr als die Film- und Musikindustrie zusammen.
Neue Spiele werden immer aufwendiger, das Budget dafür wächst. Von dieser Entwicklung profitiert auch Economou. «Die Videospielbranche ist für ziemlich alle lukrativ, selbst für Berufseinsteigerinnen.» Wie viel sie verdient, sagt sie nicht. Sie sei aber immer fair entlöhnt worden.
Auch in Zukunft möchte Economou für Film und Medien komponieren. «In der klassischen Musik dreht sich alles ums Üben, darum, sein Instrument zu beherrschen und immer besser zu werden.»
Die Arbeit an Videogames habe sie verändert: «‹Assassin’s Creed› nahm mir die Angst, nicht gut genug zu sein.»