Computerspiel-Soundtracks sind längst keine piepsenden Synthesizer-Midis mehr, wie man sie aus Tetris oder Pac-Man kennt. Spiele, bei denen dasselbe Stück die ganze Zeit in Endlosschleife lief.
«Wenn einem das nicht gefallen hat und man über das Level nicht hinauskam, konnte diese Musik wahnsinnig nerven», sagt Olav Lervik. Er ist Dozent für Komposition für Film, Theater und Medien und Sounddesign am Institute for Computer Music and Sound Technology (ICST) der Zürcher Hochschule der Künste.
Seit den 1980er-Jahren hat sich die Technik aber stetig weiterentwickelt. Videospiele sind heute interaktiv und dramaturgisch aufgebaut. Darum sind auch die Anforderungen an Videogame-Musik gestiegen.
«Es geht darum, etwas zu komponieren, das jederzeit umschwenken kann. Etwa, wenn plötzlich ein Gegner kommt oder ein Rätsel zu lösen ist oder man etwas geschafft hat». Videospielmusik sei ein Feld, das sich immer noch wahnsinnig spannend entwickle, so Lervik.
Von der Konsole in den Konzertsaal
Heute kommen Soundtracks für Videospiele aus allen Genres und werden genauso aufwändig produziert wie Filmmusik. Es gibt Studiengänge an Hochschulen und Orchester spielen Game-Musik im klassischen Konzertsaal.
Videospielmusik sei nicht nur Mainstream geworden, sondern auch eine Kunstform, erklärt Lervik: «Es gibt die AAA-Games, diese riesigen 120-Spielstunden-Spiele, die sehr zugänglich sind. Aber es gibt auch eine sehr lebendige Indie-Game-Szene, die immer wieder neue, spannende Spielkonzepte und Ästhetiken ausprobiert. Teilweise schaut sie dabei in den Bereich der Kunst hinein.»
Eine Kunst, die äusserst lukrativ ist. Etwa 180 Milliarden US-Dollar soll die Gaming-Branche laut dem Marktforschungsinstitut Newzoo dieses Jahr einnehmen, mehr als die Kino- und Musikindustrie zusammen.
Das Genre boomt
Für Lervik ist der neue Grammy für den besten Videospielsoundtrack darum längst überfällig. «Wieso sollte es keinen Grammy für Gamemusik geben, wenn es einen Grammy für andere Sachen gibt? Wir haben so viele tolle Komponistinnen und Komponisten, die Gamemusik schreiben. Das Genre verzeichnet enormen Zuwachs.»
Zwar gibt es «The Game Awards», die europäischen «Game Audio Awards» und einige andere Preise für Videospiele. Aber für Musikerinnen und Musiker bleibt der Grammy die begehrteste Auszeichnung. Das ist auch bei Game-Musik so.
Für Videospiele komponierte Musik kann bereits seit 2011 in anderen Kategorien für die begehrten Preise nominiert werden. Aber eine eigene, offizielle Kategorie sorge endlich für mehr Sichtbarkeit von Komponistinnen und Komponisten von Videospielmusik, ist Lervik überzeugt.
«Das ist eine Ermutigung, eine Anerkennung und auch Werbung. Für die Person, die diesen Preis gewinnt, kann das ein ziemlicher Karriereschub sein. Und für die Branche gibt es ein bisschen mehr Spotlight.»
Das können die Komponistinnen und Komponisten gut gebrauchen. Unter den Nominierten sind Games wie «Assassin’s Creed Valhalla: Dawn of Ragnarök», «Call Of Duty: Vanguard» oder «Old World».
Die Musik dazu haben Stephanie Economou, Bear McCreary und Christopher Tin geschrieben. Komponistinnen und Komponisten, die in der Szene gefeiert werden, der breiten Masse aber zumindest bislang wenig bekannt waren.