Von den unzähligen Schachteln in seinem Archiv greift Hannes Schmid zu einer ganz besonderen. Die Beschriftung: «ABBA». Der Schweizer Fotograf hat die schwedische Band zwischen 1978 und 1979 begleitet, fotografiert und ihr Leben abseits der Bühne dokumentiert. In der Schachtel liegen Negative von unzähligen Begegnungen mit den vier Schweden.
Mit «Waterloo» 1974 fing die Karriere an. Dann stieg ABBA zu einer der grössten Bands auf, die die Welt bislang gesehen hat. Das Quartett schuf einen unverkennbaren Sound und war auch sonst anders: Eine erfolgreiche Musik-Familie, in der zunächst Agnetha mit Björn, später Anni-Frid mit Benny verheiratet war.
In den Jahren 1978 und 1979 gehörte Hannes Schmid ganz selbstverständlich dazu. Er tourte mit ABBA durch die Welt, durchlebte mit der Band viele Höhen, aber auch Tiefen. «In Amerika war es ein hartes Erwachen», erinnert er sich.
«Einfach boring!»
Ein Bild, das er zu dieser Zeit schoss, zeigt die Bandfrauen Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad in einer Limousine. Letztere hält eine Zeitung in der Hand. Der Bericht darin: Ein brutaler Verriss ihres Konzerts.
«Die USA-Tournee ging wirklich in die Hose», erzählt Schmid. «Der Kritiker schrieb damals: Die Leute sollten lieber zuhause bleiben und die Platte hören, denn das Konzert sei einfach – boring!»
Die Band ging damals wie gewohnt auf die Bühne und spielte ihre Musik. «Das hat dem amerikanischen Publikum nicht gereicht», sagt Schmid. «Die wollten Entertainer. Das waren sie alle nicht.»
Vom Türsteher abgewiesen
In Europa gab es nichts Grösseres als ABBA – und Schmid hatte das absolute Vertrauen der Stars, weil er die Kamera im richtigen Moment weglegte. Durch seine unaufdringliche Art konnte eine Stimmung entstehen, die zu völlig unbefangenen Aufnahmen führte: «Mich hat nicht das fertige Bild interessiert, sondern der Weg zum Foto.»
Nach der USA-Tournee ging es nach Vancouver. Schmid erzählt von einem Abend und einer Szene, als er die Kamera eben nicht zückte. «Wir wollten nach dem Abendessen noch in einen Nachtclub», sagt er. «Sie waren modisch gekleidet, Overalls lagen damals in Europa im Trend, mit Reissverschluss und Turnschuhen.»
Der Türsteher aber war nicht einverstanden mit den Outfits der Schweden. «Mit diesen Artbeitsuniformen und Sneakers kommt ihr hier nicht rein, sagte der!». Schmid lacht. «Natürlich wusste er nicht, wer ABBA sind.» Starallüren? Fehlanzeige. «Niemand machte einen Aufstand. Höflich fragten sie: ‹Warum denn nicht? Das ist Fashion in Europa!›»
Den Türsteher habe das nicht interessiert. Am nächsten Tag, als der Club erfuhr, dass es sich um ABBA handelte, folgten eine Entschuldigung und eine Einladung. «Sie haben gesagt: ‹Natürlich könnt ihr anziehen, was ihr wollt.›», erinnert sich Schmid.
Weder Fan noch Paparazzo
Mit seinem klaren, unverstellten Blick machte Hannes Schmid Bilder, die die Stars selbst interessierten, weil sie sich darin wiedererkannten. «Das war Björn für mich», sagt Schmid über das Bild des einen Mannes in der Band. Man sieht ihn im Sporttenue, an der Wasserflasche nippend.
«Immer ging er joggen. Manchmal bin ich mit», erzählt Schmid. «Das Bild ist so banal. Er im Turnhösli. Es zeigt aber auch seinen Charakter. Keiner von ihnen hat einen Superstar gespielt.»
Warum Hannes Schmid so einen intimen Zugang zu den Bands fand? «Ich war weder Fan noch Paparazzo», sagt er. Das half. Und verschaffte ihm Möglichkeiten, die anderen Fotografen verwehrt blieben.