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Kanye West Berechenbar ist nur seine Unberechenbarkeit

Kanye West hat mit einer Äusserung über die Sklaverei in den USA einen Skandal ausgelöst. Warum tut er das?

Dass Kanye West einer der wichtigsten Künstler der Gegenwart ist, ist unbestritten. Vor allem seine ersten Alben begeisterten Kritiker und Käufer gleichermassen. Und auch als Modedesigner ist West sehr erfolgreich.

Daneben fällt Kanye West auch immer wieder mit provokativen Aussagen auf. Mit Aussagen über George W. Bush oder über Juden erntete er schon früher Kritik.

Nun hat er in einem Gespräch mit dem TV-Sender TMZ über die Sklaverei in den USA gesagt: «400 Jahre Sklaverei? Für mich klingt das nach einer Wahl.»

Die Sklaven in den USA haben ihr Schicksal also selbst gewählt? Auf Twitter relativierte Kanye West seine Aussage später mit zwei Posts: Natürlich hätten die Sklaven ihre Fesseln nicht freiwillig angelegt, schreibt er – er habe von einer geistigen Versklavung gesprochen.

Was genau er damit meint, ist unklar. Die Tweets sind inzwischen wieder verschwunden.

Video
Kanye Wests Kommentar zur Sklaverei
Aus Glanz & Gloria-Clip vom 02.05.2018.
abspielen. Laufzeit 59 Sekunden.

Atemlose Redeschwalle

Ob hinter solchen Äusserungen eine politische Überzeugung steht oder blosse Provokation, lässt sich kaum sagen. Kanye West ist schwer zu fassen. In Interviews spricht er schnell und ohne Unterbruch.

West springt vom einen Thema zum anderen. Er kann im gleichen Satz über Jesus und die «Freshness» seiner Kleider sprechen. Wests Aussagen sind widersprüchlich und kryptisch.

Kein Moment der Klarheit

«Eine nachhaltige politische Stossrichtung kann ich bei ihm nicht erkennen», sagt Musikredaktor Sascha Rossier.

Wir hätten kein klares, vollständiges Bild von Kanye West – was man von ihm wisse, sei ein Amalgam aus Musikwebsites, Blogs und Tweets. «Es gibt keinen Moment der Klarheit, in dem Kanye West in einem Interview mal wirklich Antworten liefert».

Geht es bei Aussagen wie jener über Sklaverei also bloss darum, Aufmerksamkeit zu erregen? «Für mich ist Kanye ein gelernter Provokateur. Der Mann weiss, was er sagen muss, damit in den Medien und in Social-Media etwas passiert», sagt Rossier.

Für diese Deutung spricht, dass Kanye West erst kürzlich zwei neue Alben angekündigt hat. Aufmerksamkeit ist ihm also derzeit sehr willkommen.

Er kümmert sich nicht um Regeln

In der Talkshow «Jimmy Kimmel Live!» sagte West, er sage immer die Wahrheit: «Ich habe in meinem Leben noch nie einen Publicity Stunt gemacht. Wann immer ich etwas gesagt habe, selbst wenn es meine Karriere gefährdete, war es, was ich zu diesem Zeitpunkt für die Wahrheit hielt.»

Auch betont er immer wieder, dass er sich nicht um Regeln oder politische Korrektheit schert.

Gegen den Mainstream

Dass West sich gerne gegen gängige Haltungen stellt, hatte unter anderem zur Folge, dass er einer der ersten Rapper war, der sich deutlich gegen Homophobie im Rap aussprach.

Viele seiner Fans irritiert jedoch, dass er sich in letzter Zeit immer häufiger mit dem schwarzen Amerika anlegt – etwa, indem er sich für Donald Trump ausspricht oder für die konservative Journalistin Candace Owens, die die «Black Lives Matter»-Bewegung kritisierte.

Gleichzeitig nennt er Emma González «seine Heldin» – jene junge Frau, die die Schiesserei in Parkland überlebte und nun für strengere Waffengesetze kämpft.

Trump und West posieren lachend nebeneinander.
Legende: In einem Tweet nannte Kanye West den US-Präsidenten Donald Trump «seinen Bruder». Keystone

Einflüsse von Le Corbusier bis Phil Collins

Kanye West zeigt sich von verschiedensten Menschen begeistert, übernimmt Positionen aus widersprüchlichen Lagern. Auch als Musiker saugt er unterschiedlichste Einflüsse auf, ganz egal woher sie stammen.

Während viele Hip-Hop-Künstler Inspiration vorwiegend aus dem eigenen Genre schöpfen, reichen Wests Einflüsse von Miles Davis bis Daft Punk, von Trip-Hop bis Klassik. Als Inspiration nennt er Le Corbusier genauso wie Phil Collins.

West neigt zur Selbstüberschätzung

Diese Offenheit und Begeisterungsfähigkeit für Einflüsse jeglicher Couleur hat ihn zu einem der interessantesten Rapmusiker der letzten 15 Jahre gemacht. Doch die gleichen Eigenschaften, die den Musiker West auszeichnen, machen ihn abseits der Bühne problematisch.

West ist unberechenbar, impulsiv und neigt zur Selbstüberschätzung. «Er hat das Freidenkertum für sich gepachtet», sagt Musikredaktor Sascha Rossier: «Und das heisst für ihn, er kann machen und sagen, was er will».

Es ist deshalb nur eine Frage der Zeit, bis Kanye West mit der nächsten provokativen Aussage für Aufregung sorgt.

Sendung: Radio SRF 3, 3.5.2018, 7:10 Uhr.

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