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Konzertabsage in St. Gallen Knatsch um Knöppel: Sag niemals Onanie?

Die Ostschweizer Kult-Punkband macht gern einen auf breitbeinig. Jetzt kriegt sie einen Tritt in den Hintern – und nimmt's gelassen.

Sie schreien «Gliiiied!» und dutzende Männer im Publikum reissen die Arme in die Höhe und grölen mit. Konzerte der Ostschweizer Band Knöppel stehen für eine Riesenportion Männlichkeit.

Knöppel-Fans sehen darin eine ironisch gebrochene Stilisierung und feiern die Band dafür. Andere stören sich daran. Zum Beispiel Matthias Fässler vom Leitungsteam der Grabenhalle.

Aufnahme eines Musikkonzertes. Hunderte Menschen stehen vor einer hell erleuchteten Bühne.
Legende: Das vorläufig letzte Konzert von Knöppel in der Grabenhalle St. Gallen. Künftig will man dort auf Konzerte der Punkband verzichten. Andoni Lopez / https://www.andographie.com

Beim letzten Knöppel-Konzert hätten sich Mitarbeitende unwohl gefühlt. Sie erzählten von einer Machostimmung, von einer Breitbeinigkeit, einem penetrant männlichen Blick in den Texten und im Publikum. «Eine aufgepeitschte, grölende Männermasse, die Texte mitsingt, bei denen es explizit um männliche Geschlechtsorgane geht, ums Onanieren.»

Teile der Crew hätten die Stimmung, die Gäste, aber auch die Texte der Band als unangenehm, als übergriffig und gewaltvoll erlebt.

Nichts als «Business as usual»?

Sänger Daniel Mittag, genannt «Midi», hält die Debatte für überzogen. Am Telefon wiegelt er ab, möchte nur schriftlich Stellung nehmen. Dass ein Veranstalter Musikern absagt, sei «Business as usual». Für die Band sei die Sache ohnehin nicht ganz neu und auch längst erledigt.

Die Band Knöppel

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Die Ostschweizer Punkband Knöppel mit Leadsänger Daniel «Midi» Mittag alias Jack Stoiker stellt im Herbst ihr neues Album «Sex, Jazz, Scheisse» vor. Einige ihrer Texte drehen sich um den männlichen Körper und auf den ersten Blick auch um sexuelle Handlungen. Die Band will sie aber ironisch verstanden wissen.

Allerdings hat sich das gesellschaftliche Umfeld verändert. Mit seiner Haltung trifft Knöppel auf eine neue Sensibilität, mit der auch Veranstalter auf die Auswahl ihres Programms achten.

2019 hat etwa der Verein Helvetiarockt eine Diversity Roadmap herausgegeben, um Veranstaltern dabei zu helfen, Diversität und Gleichstellung zu fördern. Co-Leiterin Yvonne Meyer versteht Clubs und Festivals als öffentliche Orte, die für alle zugänglich und diskriminierungsfrei sein sollten.

Im Gespräch bestätigt sie, eine neue Sensibilität bei den Veranstaltern wahrzunehmen. Die Frage sei jedoch, was auf diese Sensibilisierung passiere und ob entsprechend gehandelt werde.

Matthias Fässler von der Grabenhalle gibt an, die letzten Jahre, vor allem die #metoo-Bewegung, hätten dazu beigetragen, die Perspektive von Betroffenen sexualisierter Gewalt heute ernster zu nehmen. Das betreffe auch sexistische Texte und machoides Verhalten.

Abfeiern von männlichen Genitalien

«Machogehabe» verortet der Konzertveranstalter bei den Auftritten der Band Knöppel. Ihre Texte zeigten immer die männliche Sichtweise, ein Zelebrieren und Abfeiern von männlichen Genitalien, auch von männlicher Macht, sagt Matthias Fässler.

Natürlich könne man sagen, das würde ab und zu in den Texten auch ironisch gebrochen. Aber bei Ironie gehe es nicht allein um die Absicht der Band.

Einige Texte von Frontmann «Midi» alias Jack Stoiker seien eine plumpe Reproduktion sexistischer Stereotype. Etwa im Song «I ha die immer no gern» trällert er die Zeilen: «I ha die immerno gärn, au wennd periode hesch, […] hysterisch bisch, […] gschissni Luune häsch, […] unhygienisch bisch, […] s ganze Bett versausch, […] die nüme ficke losch.»

Ein Mann mit Gitarre und ausgestrecktem Arm auf der Bühne.
Legende: Es geht auch ohne Zeigefinger: Knöppel-Frontmann Daniel «Midi» Mittag 2019 in St. Gallen, wo er aufgewachsen ist. Keystone / Gian Ehrenzeller

In seinem Statement, mit dem Mittag den Vorwurf kontert, seine Texte seien sexistisch, heisst es: Im neuen Album gäbe es eine Zeile, die die Bandmitglieder als Sitzpinkler outen würde: «Tönd im Sitze uriniere, hend au sösch gueti Maniere.» Ob die Grabenhalle-Crew darüber lachen kann?

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 23.6.2023, 17:20 Uhr

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