Madonna, Prince und Michael Jackson waren die Superstars ihrer Generation. Zwei davon sind vor ihrem 60. Geburtstag gestorben, die andere macht heute Schlagzeilen mit ihrem Fitnesswahn oder adoptierten Kindern. Was ist das Erbe dieser Über-Popstars? Ein Gespräch mit Hanspeter «Düsi» Künzler über Reizwäsche, Status-Bolzerei und gute Musik.
SRF: Was wird in 30 Jahren von Madonna und Co. noch bleiben?
Hanspeter Künzler: Von Prince die Musik, von Michael Jackson die Musikvideos und die Show und von Madonna «Like A Virgin» und «La Isla Bonita» als Karaoke-Versionen… Na gut, das war jetzt etwas böse.
Nichts gegen Karaoke! Aber vielleicht kann man es versöhnlicher formulieren: Madonna hatte andere Stärken als ihre Musik.
Ja. Ich habe sie nie als grosse Musikerin gesehen. Ich habe sie als Popstar wahrgenommen. Was von ihr definitiv bleiben wird, ist die Emanzipation der Frau in der Musikindustrie.
Vor Madonna haben Frauen sanfte Liebeslieder gesäuselt oder dienten als hübsches Beiwerk. Dann kam Madonna: eine starke Frauenfigur, die sich erlaubte, trotzdem sexy zu sein. Sie hat viele Türen geöffnet.
War sie der bessere Popstar als Michael Jackson?
Die beiden spielten in ihrer eigenen Liga. Jackson war ein begnadeter Pop-Künstler. Er war ein toller Sänger mit vielen neuen Ideen, ein hervorragender Komponist und Tanzpionier.
Er war der erste, der Film in die Popmusik hereingebracht hat. Seine Musikvideos waren revolutionär – auch wenn sie heute etwas altbacken daherkommen. Und natürlich war er ein unglaublich toller Performer. Auf der Bühne war er ziemlich unschlagbar.
Was bleibt von Prince?
Prince war ein grossartiger Musiker. Er machte eine ähnlich irre Mischung aus Funk, Rock und Soul wie Michael Jackson. Aber er war doch wesentlich abenteuerlustiger. Er hat das musikalische Wagnis viel mehr gesucht als die anderen beiden. Das hat ihm zwar weniger, aber wahrscheinlich längerfristige Fans eingetragen.
Wenn wir über die Musik hinaus gehen: Von Madonna bleibt die Emanzipation – und von Michael Jackson?
Von Jackson bleibt dieser androgyne, ganz spezielle Look – weder schwarz noch weiss –, den er für sich entworfen hat. Auch seine Art sich auszudrücken, das Tanzen, die Bewegungen.
Die 80er-Jahre waren doch noch stark vom Machogehabe geprägt, Jacksons Stil war da sehr umstritten. Die Gender- und Sexualität-Diskussionen von heute, die hat eigentlich Michael Jackson vor 30 Jahren mit angestossen – und auch Prince.
Auch er trat in Reizwäsche auf und hat mit seinem Image experimentiert. Aber bei Prince stand immer die Musik im Vordergrund.
Er war ein exzellenter Musiker und Produzent, der sich nicht zu schade war, Ohrwürmer aufzunehmen. Gleichzeitig hört man auf seinen Platten plötzlich Gitarrensoli, die man eher auf einer Hardcore-Jazzplatte erwarten würde.
Jetzt mal genug mit den ganzen Lorbeerkränzen. Haben Jackson und Co. auch problematische Trends gesetzt?
Diese unglaubliche Materialschlacht und Status-Bolzerei bei den Konzerten und Musikvideos: immer grösser, teurer, spektakulärer. Das ist mit Michael Jackson losgegangen. Der Fokus hat sich verschoben, der lag dann auf den Choreografien, der Show und dem Video. Darunter leidet in meinen Augen die Musik.
Wo sieht man bei der heutigen Musik und Künstlern noch Spuren von den dreien?
Die R'n'B-Musik von Beyoncé und Co. geht auf Michael Jackson zurück, darauf, wie er Funk produziert hat.
Madonnas Image klingt bei vielen Künstlerinnen nach: bei Rihanna, Rita Ora und natürlich Lady Gaga. Die heutige Diskussion um Geschlecht und Sexualität wurde sicher auch durch Madonnas berühmt-berüchtigten Fotoband «Sex» ausgelöst.
Wären solche Karrieren, wie sie die drei hingelegt haben, heute noch möglich?
Ich glaube, dass die Zeit der wirklich grossen Popstars im Stil von Jackson, Madonna oder Prince vorbei ist. Vorläufig zumindest.
Nehmen wir Lady Gaga: Sie steht in der Tradition von Madonna und macht ja wirklich interessante Sachen. Aber Lady Gaga ist heute nicht halb so omnipräsent wie es Madonna damals war.
Glauben Sie, Madonna, Michael Jackson und Prince werden von den jüngeren Generationen irgendwann wiederentdeckt?
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass alle drei eine grosse Renaissance erleben werden. Sobald ihr Werk von den Teenagern nicht mehr als Musik der Eltern oder Grosseltern wahrgenommen wird.
In 20 Jahren wird man Madonna und Michael Jackson und Prince vollkommen losgelöst von irgendwelchen Zeitgeist-Vorbehalten anhören. Und dann könnte ich mir vorstellen, dass Prince der Grösste von allen sein wird.
Das Gespräch führte Kathi Lambrecht.