Am Anfang nahmen die Konservatorien für klassische Musik die Jazzer gar nicht war. Später belächelten sie sie. Aber bald erkannten sie in der neuen Konkurrenz eine willkommene Ergänzung – und die Jazzschulen kamen auf die Liste der staatlich subventionierten Institutionen. Als die Bologna-Reform in den Hochschulen Einzug hielt, war Jazz bereits selbstverständlicher Teil des Angebots.
Die neuen Adressen
Die Unterrichtsorte allerdings hielten mit dem Wandel kaum Schritt. Jazzschulen hatten nach wie vor meist dieses Cachet von Provisorien: bröckelnde Wände und billigen Böden – oft waren sie in schnell aufgestellten Plattenbauten aus den 70er-Jahren beheimatet. Wie zum Beispiel im Dreispitz-Areal, wo die Basler Jazzschule früher ihre Bleibe hatte. Doch das ist jetzt anders.
Die wohl schönste Architektur, die Jazz gesehen hat
Ab Anfang des Schuljahres 2014/15 residiert die Abteilung Jazz der Musikhochschule Basel in der wohl schönsten und teuersten Architektur, die Jazz je gesehen hat: dem Jazzcampus Utengasse. Zeitgleich zieht auch die Zürcher Hochschule der Künste samt ihrem Departement Musik um: ins Toni-Areal im Westen der Stadt.
Zwei neue Orte für den Jazz, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der Jazzcampus Utengasse, mitten in der Kleinbasler Altstadt gelegen, wurde in einem Hinterhof realisiert. Fast alle Gebäude hatte man neu erstellt, in einem Standard, der keine Wünsche offen lässt – ein Traum!
Kreativfabrik im Kreis 5
Dass diese Architektur ihren Preis hat, versteht sich von selbst. Den braucht aber die Basler Hochschule nicht zu kümmern. Denn die Bau- und Einrichtungskosten werden vollumfänglich von zwei Stiftungen übernommen.
Ganz anders in Zürich. Auch dort stand ein bestehendes Gebäude zur Verfügung, die ehemalige Toni Molkerei. Sie wurde in den vergangenen Monaten so umgebaut, dass nicht nur die Abteilung Jazz der ZHdK darin Platz fand, sondern die ganze Hochschule der Künste. Etwa 3000 Studierende sind nun in der neuen Kreativfabrik im Kreis 5 untergebracht. Auch hier ein Projekt der Superlative, allerdings eher in einem soziokulturellen Sinn.
Eine Jazzschule darf weder zu gemütlich noch
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zu wild sein
Was hat das alles mit Jazz zu tun? Nichts und doch alles. Früher lernten die jungen Musiker bei den Alten. Die eigentlichen Jazz-Universitäten waren die Bands von Art Blakey, Horace Silver und Miles Davis. Doch die Verhältnisse haben sich völlig geändert. Die Möglichkeiten, «on the road» zu lernen, sind minimal, erst recht hier in Europa.
Also muss der Ernst des Jazzlebens anders vermittelt werden. In einer Schule zum Beispiel. Und die darf nicht zu gemütlich sein, die freie Wildbahn des Jazzers ist es auch nicht.
Das Toni-Areal könnte da eine Chance sein, ein brodelnder Kulturort, wo sich die Ideen reiben, auf dass die kreativen Funken stieben und neue Impulse freigesetzt werden. Ob der versteckte und geschützte Jazzcampus in der Basler Altstadt dasselbe leisten kann, muss sich zeigen. Einfach wird es nicht sein.