Wettbewerbe führen zu nichts, sagen die einen. Weil sie statt künstlerisch herausragenden Musikerinnen und Musikern nur sportliche Wettbewerbstypen fördern. Wettbewerbe bringen etwas, sagen die anderen. Schon allein deshalb, weil sie einen auf die Berufswelt ideal vorbereiten. Wer hat recht? Beide oder keiner. Je nach Blickwinkel.
Es stimmt, dass an Wettbewerben oft darauf geschaut wird, wie gut und virtuos jemand sein Instrument oder seine Stimme beherrscht. Da wären wir bei «schneller, höher, weiter», bei der sportlichen Seite. Doch technische Beherrschung ist die Voraussetzung, um an einem Wettbewerb überhaupt erst teilzunehmen.
Das sagt Antje Weithaas. Sie ist als Solistin auf der Geige international tätig, unterrichtet selbst und steht dem internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerb als künstlerische Leiterin vor.
Spitzenmusiker statt Mittelmass fördern
Weithaas kritisiert, dass künstlerisch oft Mittelmass gefördert wird, je nach Ausrichtung eines Wettbewerbs. Dann zum Beispiel, wenn die Jurorinnen und Juroren sich nicht auf die Äste herauswagen wollen. Das heisst, wenn sie jemanden nicht prämieren wollen, der oder die eine künstlerisch gewagte Aussage macht. Das hat zur Folge, dass umgekehrt auch Kandidatinnen sich einschränken, statt in die Vollen zu gehen.
Mara Maria Möritz ist Sängerin und Studienabgängerin der Berner Hochschule der Künste. Sie sagt, dass ihr Wettbewerbe helfen, sich auf das Berufsleben vorzubereiten – mental, physisch und psychisch. Sie helfen ihr zu lernen, mit dem Druck umzugehen, der einen in der Berufswelt erwartet. Künstlerisch müsse ohnehin jeder seinen eigenen Weg finden, Wettbewerbe hin oder her.
Das Preisgeld steigt – der Druck auch
Tatsache ist, dass es immer mehr Musikwettbewerbe gibt. Die Preisgelder werden immer höher, was dazu führt, dass Musikerinnen und Musiker sich regelrecht auf solche Wettbewerbe als Broterwerb fokussieren. Schliesslich kann man mit 50'000 Franken Preisgeld oder mehr gut einige Zeit leben.
Das ist natürlich nicht der Sinn eines Musikwettbewerbs. Der sollte sein – brutal ausgedrückt –, die Spreu vom Weizen zu trennen, also die Guten zu fördern und die weniger Guten nicht.
Das Problem ist: Heute ist in der Klassik das technische Können viel höher als noch vor einigen Jahrzehnten. Sprich: Alle sind irgendwie «gut». Es sind also Alternativen bei Wettbewerben gefragt.
Ohne Wettbewerb keine neuen Virtuosen?
Der Joseph Joachim Violinwettbewerb verlangt von seinen Kandidatinnen etwa ein Kammermusikwerk in kurzer Zeit einzustudieren oder von der Geige aus ein ganzes Kammerensemble zu leiten. Andere Wettbewerbe geben ihren Teilnehmenden ein ganz neues Stück zum Lernen auf. So machen sie sie fit für zeitgenössische Musik.
An Wettbewerben kommt niemand vorbei, der eine Karriere in der klassischen Musik anstrebt. Und auch ein erster Platz ist kein Garant für eine solche Karriere. Doch gibt es Wettbewerbe, die einen sinnvoller auf das künstlerische Berufsleben vorbereiten. Und andere, die das weniger tun. Auch das, den passenden Wettbewerb für sich auszusuchen, gehört zur Karriereplanung.