«Ssssrrrrrr….!» Das laute Rattern lässt alle Blicke nach oben schiessen: Oha, eine Minidrohne ist im Anflug. Im Kamerafokus die vier jungen Musiktalente, die auf Einladung der SRG aus allen vier Sprachregionen für ein gemeinsames Konzert an die «Schubertiade» nach Fribourg gekommen sind.
Sie haben schon enorm intensive Tage hinter sich, mit Üben und Proben, dazu gefilmt werden, Interviews geben und dazwischen noch auf den freien Bühnen spielen.
Hier treffen sich nur die Besten
Fribourg ist an diesem «Schubertiade»-Wochenende mit 160 Konzerten ein einziges Giga-Festival der Musik. Nur für dieses eine Konzert werfen sie sich ins Zeug, als gäbe es kein Morgen: die Pianistinnen Aita Gaudenz und Sarah Murer – die eine aus dem Bündnerland, die andere aus dem Tessin.
Mit von der Partie sind ausserdem die Geigerin Anna Naomi Schultsz aus Basel und der Westschweizer Cellist Jonathan Gerstner. Anna und Jonathan sind mit 18 und 19 Jahren nicht nur die beiden jüngsten im Quartett der Nachwuchsbegabungen, sie waren auch vergangenes Jahr schon dabei, bei einem «Pavillon Suisse – jeunes talents» in Lugano.
Die Mischung machts
Was diesmal anders ist: dass sie im Konzert nicht nach-, sondern miteinander spielen. Das bedeutet, dass die vier in nur wenigen Tagen zur Einheit verschmelzen müssen, und das in den unterschiedlichsten Konstellationen: ob als Duo mit Geige und Cello, als Doppel am grossen Konzertflügel oder als Klaviertrio.
Dieses beschleunigte Zusammenwachsen wird von François Killian als Coach begleitet. Der Pianist ist eine Koryphäe der Kammermusik und den «young fab four» Seelenstütze und offenes Ohr zugleich.
«Schaut, dass Ihr auch an die frische Luft kommt …» mahnt er die vier, von denen drei bis eben noch Franz Schuberts «Notturno» geprobt haben. Beibringen könne er ihnen ohnehin nichts mehr, seine Aufgabe bestehe vor allem im Justieren der Feinheiten.
Ein Wort hier, ein Ratschlag dort – die vier seien wirklich sehr talentiert und funktionierten erstaunlich gut als Team, das sich bis vor zwei Tagen kaum bis gar nicht kannte und nur als WhatsApp-Gruppe existierte. Die braucht es auch, denn Aita studiert in Berlin, Sarah in London und Jonathan in Lausanne.
Zeit für neue Wege
Und Anna? Sie sitzt auf gepackten Koffern und zügelt demnächst von Basel nach München zum Vollstudium bei Julia Fischer. Von der weltberühmten Geigerin wurde Anna Naomi Schultsz schon einige Jahre als Jungstudentin unterrichtet, ein grosses Privileg.
Gleichzeitig ist es aber auch eine grosse, weil nicht zuletzt finanzielle Herausforderung: Ihre Schule sah sich ausserstande, den Lehrplan auf ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen, dazu kamen das viele Reisen und die Wettbewerbe.
Die Kehrseite der Musik-Medaille
Der Druck wurde so gross, dass Anna mit ständigen Verspannungen zu kämpfen hatte – Gift für ihre Gabe. Vor vier Jahren wechselte sie deswegen auf eine Privatschule, die das Budget der Künstlerfamilie Schultsz zwar empfindlich belastet hat, dafür konnte Anna aber Schule und Musik endlich in Einklang bringen.
Kurz vor der «Schubertiade» kam das erfolgreiche Maturitätszeugnis per Post, vor ein paar Monaten erschien die erste Solo-CD.
Das lange Proben zahlt sich aus
Gut, der Druck ist nach wie vor da und er geht auch nicht weg. Wenn es aber mal wieder zu viel zu werden droht, folgt Anna Naomi Schultsz dem Rat ihrer Professorin, alle Gedanken und Energie in die Füsse zu leiten, für den buchstäblich ruhigen und sicheren Stand.
Und in diesem Moment an der «Schubertiade» bekümmert sie sowieso nur eines: die Minidrohne, die tolle Bilder liefern wird. Ihr Surren in Es-Dur ist aber um einige Hertz tiefer als das Es-Dur des gerade geprobten Schubert-Notturnos – für sie als Musikerin mit absolutem Gehör ungefähr so angenehm wie die kreischende Kreide auf der Tafel.