Seit 2012 gilt Mali als Krisenstaat – aktuell wird der Sahelstaat von den umliegenden Ländern abgeschottet. Und die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas hat Sanktionen beschlossen.
Anders die malische Musik: Sie hat ihre Strahlkraft nicht eingebüsst, im Gegenteil. Vieux Farka Touré, Sohn des legendären Wüstenbluesmeisters Ali Farka Touré, äussert sich zur neusten Krise in seinem Land. Die Sanktionen bezeichnet er als widersinnig und unmenschlich.
SRF: Vieux Farka Touré, Mali ist abgeschottet. Die Grenzen zu den Nachbarländern sind geschlossen, Vermögenswerte und Finanzhilfen eingefroren, der Handel mit nicht lebensnotwendigen Gütern wurde verboten. Wie wirkt sich dieser Beschluss auf Sie als Musiker aus?
Vieux Farka Touré: Der Beschluss trifft nicht nur mich, sondern alle Malierinnen und Malier hart und er steht aus meiner Sicht der Ecowas nicht zu. Mali befindet sich seit 2012 in einer Krise und wird nun zusätzlich hart abgestraft. Die Sanktionen erschweren unser Leben massiv.
Ein Beispiel: Ich spiele diesen Samstag in Niamey, der Hauptstadt des Nigers. Aufgrund der Grenzschliessung muss ich nun zuerst nach Istanbul fliegen, um über Ouagadougou nach Niamey zu gelangen. Im Normalfall wäre ich von Bamako in einer Flugstunde im Nachbarland.
Die westafrikanischen Staats- und Regierungschefs verlangen von der militärischen Übergangsregierung Malis, im Februar demokratische Wahlen durchzuführen. Doch zwei Drittel des Landes sollen sich ausserhalb der Kontrolle der Behörden befinden. Sind Wahlen für Sie durchführbar?
Nein, in Mali können zurzeit keine demokratischen Wahlen durchgeführt werden. Wer die Sicherheitslage im Land kennt, weiss, dass diese Forderung unrealistisch ist.
Wir wollen, was alle Menschen wollen: ein gutes Leben, Sicherheit und Stabilität.
Die Ecowas unterstellt der malischen Regierung, die Bevölkerung fünf weitere Jahre in Geiselhaft zu nehmen. Welche Noten stellen Sie Ihrer Regierung aus?
In der Politik verteidigen die verschiedenen Parteien ihre Positionen. Darum mische ich mich als Künstler grundsätzlich nicht in die Politik ein. Dennoch stelle ich fest, dass die jetzige Regierung willens ist, die Situation für die Bevölkerung zu verbessern. Anders als die Ecowas sehe ich kleine Fortschritte. Etwa, was die Sicherheit im Land betrifft.
Wir wünschen uns, dass wir unsere Familien in anderen Landesteilen besuchen können, dass wir keinen Hunger leiden müssen, dass die Bildung unserer Kinder gewährleistet ist. Wir wollen, was alle Menschen wollen: ein gutes Leben, Sicherheit und Stabilität.
Welchen Appell richten Sie als Künstler und Bürger Malis an die Verantwortlichen im In- und Ausland?
Dass alle Akteure einen Schritt aufeinander zumachen sollen. Die Bevölkerung leidet seit Jahren unter Terrorismus, Banditismus, Staatstreichs, verbreiteter Korruption, fehlender Rechtsstaatlichkeit. Es ist widersinnig und unmenschlich, dieses Land zusätzlich abzuschotten.
Sie sind Präsident der Stiftung Ihres Vaters, Ali Farka Touré: Wie setzen Sie sich im Land für den Frieden ein?
Aufgrund von Stammeskonflikten habe ich etwa Musikerinnen und Musiker verschiedener Ethnien zusammengeführt, um zu einer besseren Verständigung beizutragen.
Musik ist eine Kraft und eine Macht. Meine Rolle hier und anderswo ist die eines Botschafters.
Ihr Album «Mon Pays», das 2013 herauskam, haben Sie Ihrem Land gewidmet. Welche Botschaft richten Sie heute an die Bevölkerung Malis?
Stark zu bleiben, damit wir geeint durch diese Krise kommen.
Die Krise im Land hält die malischen Musiker nicht davon ab, kreativ und produktiv zu sein. Sie mischen in der internationalen Musikszene kräftig mit. Welche Rolle nimmt die Musik im Leben der Menschen in Mali ein?
In Mali steht die Musik für das Leben schlechthin. Musik ist eine Kraft und eine Macht. Meine Rolle hier und anderswo ist die eines Botschafters.
Das Gespräch führte Judith Wyder.