Maja Lisac Barroso aus Basel steht früh auf. Ihr Wecker klingelt um 5:55 Uhr, anschliessend übt sie in ihrer schalldichten Übungsbox Saxofon. «Ich kann nur dann üben und muss alles in diese eine Stunde reinpacken, weil es nicht anders geht.»
Barroso (41) ist Profimusikerin und unterrichtet an verschiedenen Musikhochschulen. Sie ist auch Mutter. «Und um das unter einen Hut zu bringen, braucht es schon eine Portion Verrücktheit», sagt sie.
Keine sichtbaren Vorbilder
Die Schweizerin mit slowenischen Wurzeln weiss schon immer, dass sie Mutter werden will. Doch im Studium wird das Thema von Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht thematisiert. Barroso bemerkt bald: Obwohl das Verhältnis an den Musikhochschulen relativ ausgewogen ist, gibt es ab dem Alter von 35 viel weniger aktive Profimusikerinnen als Profimusiker.
Das Musikbusiness ist zu einem grossen Teil freiberuflich organisiert. Es gibt keine Ausfallentschädigung, keinen Erwerbsersatz. Proben oder Konzerte finden meist nicht am Wohnort statt und beginnen, wenn die Kitas schliessen: abends, am Wochenende oder an den Feiertagen. Zudem sind die Gagen oft knapp bemessen, eine individuelle Kinderbetreuung aber teuer.
Nach wie vor ist auch das Bild des männlichen, künstlerischen Genies präsent: «Sorgearbeit und Elternschaft passen nicht zu diesem Bild und werden unsichtbar gemacht, weil die Künstlerinnen und Künstler Angst haben, dass es ihr Ansehen beschädigt», sagt Andrea Zimmermann vom Zentrum Gender Studies der Universität Basel. Darum sah und las man von Frauen, die aktive Künstlerinnen und Mütter sind, lange nichts.
Üben mit dem Pulsmesser
Maja Lisac Barroso entscheidet sich erst mit Mitte 30 für ein Kind, als gewisse Bedingungen in ihrem Leben erfüllt sind: eine abgeschlossene Berufsausbildung und eine sichere Anstellung als Dozentin. Die Stelle ermöglicht es ihr, neben ihrer Profikarriere als freischaffende Bühnenmusikerin finanziell unabhängig zu sein. «Das klingt, als wäre alles nach Plan gelaufen. Ist es aber definitiv nicht», lacht die Saxofonistin.
Das geht schon in der Schwangerschaft los: «Ich habe mit einem Pulsmesser geübt, damit ich nicht über 120 komme, das hätte meinem Kind geschadet.» Im siebten Monat kommt Barroso schliesslich an ihre physischen Grenzen und beschliesst, eine Pause zu machen. «Es war klar, dass ich jetzt einen anderen Rhythmus annehmen werde.»
Präsent zu bleiben, ist in der Kunst eine wichtige Währung. «Aber mit einem Kind ist es nicht ganz einfach, am Abend Networking zu betreiben. Darum verlege ich das ins Netz», erklärt Barroso. International präsent bleibe sie, indem sie selbst Konzerte mit Gästen aus dem Ausland organisiert. «Ich drehe die ganze Sache also um. Sonst müsste man schon Beyoncé oder Adele heissen, um sich auf Tour drei Nannys leisten zu können.»
Solokarriere und Familie jonglieren
Inzwischen ist Maja Lisac Barroso wieder durchgestartet. Ihre Solokarriere ist ihr sehr wichtig, sie ist mittlerweile die Hauptverdienerin in der Familie.
Ihr Alltag ist von A bis Z durchstrukturiert, meist geht sie nicht vor Mitternacht ins Bett. Aber sie sehe viele positive Aspekte in der Mutterschaft: «Mein Fokus hat sich geschärft. Ich bin kreativer geworden und viel sicherer beim Verhandeln von Konzerthonoraren. Schliesslich muss ich damit mein Leben und das meines Kindes finanzieren.»
Die Kinderbetreuung ist hierzulande extrem teuer und darum immer noch mehrheitlich Privatsache. Andrea Zimmermann und Maja Lisac Barroso fordern, dass die Politik endlich aktiv wird und entsprechende Strukturen schafft, um Eltern zu unterstützen.