Sie sind eine der erfolgreichsten Bands des neuen Jahrtausends: Coldplay. Kürzlich erschien das zehnte Album der vier Londonder «Lads». Die Platte heisst zwar «Moon Music», doch sie dreht sich vor allem um die Erde – denn Coldplay haben sich der Nachhaltigkeit verschrieben. Was als Witz begann, ist «serious business» geworden.
Hauptsache etwas Cooles sagen
Bandleader Chris Martin gelobte unlängst in einem BBC-Interview , nie mehr auf Tour zu gehen, wenn dies nicht nachhaltig getan werden könne. Später räumte er ein: «Ich wollte einfach etwas Cooles sagen und erfand irgendetwas. Daraus wurden Schlagzeilen und da dachten wir: «Ah, warum nicht? Ist doch eigentlich genau, was wir wollen.»
Die wohl grösste Nachhaltigkeits-Initiative der Pop-Geschichte gründet also auf einem Spässchen.
Es ist ein Megaprojekt geworden, in dessen Zuge 10 Millionen Bäume gepflanzt werden (ein Baum pro verkauftem Konzertticket), das Publikum über kinetische Böden und Velos Strom produziert, Vinyl-Alben und CDs aus recycleten PET-Flaschen entstehen und Shows immer mal wieder von einem Batteriesystem betrieben werden, das aus alten BMW-Batterien besteht.
Ein wahr gewordener MacGyver-Traum. Das Unterfangen wird zudem vom renommierten Massachusetts Institute of Technoloy (MIT) begleitet, deren Analysen nun zeigen, dass Coldplay ihre CO2-Bilanz gegenüber ihrer letzten Tournee tatsächlich um 59 Prozent gesenkt hat.
Rechenspiele mit dem Klima
Coldplays Weichenstellung in Sachen Nachhaltigkeit hat nur einen kleinen Makel: Die Band veröffentlicht keine absoluten Emissionszahlen. Aus gutem Grunde wohl, denn sie dürften die Event-Industrie erschüttern.
Stadion-Shows sind Emissionsschleudern. Nachhaltigkeitsexpertin Nathalie Benkert vom Nachhaltigkeitsverband «Vert le Futur» rechnet am Beispiel des letztjährigen Coldplay-Konzerts in Zürich vor, dass der Stromverbrauch des Letzigrund Stadions pro Anlass 13'000 Kilowattstunden beträgt. Das entspricht einem Jahresstromverbrauch von drei Haushalten.
Besser als nichts
Das mache aber nur zehn Prozent der Hauptbilanz des gesamten Konzertabends aus – weil das Letzi hauptsächlich mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Schwerer ins Gewicht fällt das Publikum: «Rechnen wir Anreise und Gastronomie der Fans mit ein», resümiert Benkert, «sind die Fans mit 60 Prozent die Haupt-Energietreiber».
Coldplay sind da mit 30 Prozent verhältnismässig bescheiden unterwegs. Bedeutet im Umkehrschluss: Die Energiebilanz von konventionellen Bands in konventionell betriebenen Stadien ist astronomisch hoch – viel höher als bei Coldplay. Keine frohe Botschaft.
Coldplay hat Vorbildcharakter
Grosskonzerte lassen sich so einfach nicht grün waschen – was aber nicht heisst, dass Coldplays Bemühungen vergebens sind. Im Gegenteil: «Es gibt wenige Popstars dieser Grösse, die in Sachen Nachhaltigkeit so viel umsetzen», meint Nathalie Benkert, «das hat Vorbildcharakter».
Wie schön also, wenn Taylor Swift alsbald ein BBC-Interview gäbe und geloben würde, ihre rekordverdächtigen Privatjet-Flüge zu reduzieren. Oder ihre Konzert-Ticketpreise so anzupassen, dass Fans nicht scharenweise aus den USA nach Europa anfliegen müssten, um erschwingliche Tickets zu bekommen.
Bis dahin steht ausser Zweifel: Mit Coldplay und Fahrrad lässt sich zumindest grüneres Karma erwirtschaften.