«Du suchst einen, der immer für dich da ist, einen, der dich beschützt und verteidigt, du suchst einen, auf den du dich verlassen kannst. Nein, Baby, ich bin es nicht, ich bin nicht der, den du suchst.»
Vielleicht hätte das Nobelpreiskomitee das Werk von Bob Dylan genauer studieren sollen. Dann wären sie auf diesen Song gestossen: «It ain´t me babe», ich bin keiner, auf den du dich verlassen kannst. Und wenn man sich bei Bob Dylan auf eines verlassen kann, dann doch darauf: dass man sich nicht auf ihn verlassen kann.
Ein Schock für die Fans
1965 setzt er seine Gitarre unter Strom und tritt mit einer Rockband auf – die Anhänger der reinen Lehre der Folkmusik sind entsetzt. Auf dem Höhepunkt der weltweiten Jugendrevolten Ende der 60er zieht Dylan sich zurück und produziert anheimelnde Countrymusik, anstatt den Aufstand mit Protestsongs und Politlyrik anzufachen.
Später konvertiert er zum Christentum und singt gottesfürchtige Lieder – ein Schock für die meisten seiner Fans. Und zuletzt befremdet Bob Dylan die Dylanologen dieser Welt als neuer Frank Sinatra, er singt, oder besser: Er brummt Klassiker aus dem American Songbook.
Plan ist fehlgeschlagen
Bob Dylan, der Mann der Masken, die ewige Sphinx – da ist es doch nur logisch, dass er am 10. Dezember was Besseres vorhat, als ins kalte Stockholm zu reisen. Damit unterläuft Dylan den Plan des Nobelpreiskomitees: Das wollte sich nämlich selbst nobilitieren, indem es Dylan nobilitiert.
Die Stockholmer wollten der Welt demonstrieren, dass sie keine Scheuklappen haben und dass sich auch diese neumodische Popmusik aus Amerika mit ihrem Literaturbegriff verträgt. Leider kommt diese Entscheidung 50 Jahre zu spät.
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Nichts ist so explosiv wie Dylan
In «Subterranean Homesick Blues» singt Bob Dylan 1965 «you don't need a weatherman to know which way the wind blows», du brauchst keinen Wettermann um zu wissen, woher der Wind weht.
Da hat er gerade seinen Sound elektrifiziert und nichts auf der Welt ist in diesem Moment so elektrisierend, so explosiv, so eben gerade jetzt, wie diese neue Kunstform, wie dieser neue, literarisch aufgepimpte Rock'n'Roll.
Um zu wissen, woher der Wind weht, reicht es nicht, den Text zu lesen. Diesen Sound muss man hören: Dylans Stimme, das Nölige, Näselnde, Drängende dieser eigentlich dünnen Stimme, die erst im Zusammenspiel mit der Band ihre Wucht entfaltet, ihre tatsächlich erschütternde Wirkung.
Arroganz hat noch nie geschadet
Wenn Dylan jetzt, 50 Jahre danach, mit der Schwedischen Akademie Versteck spielt, dann finden viele das arrogant. Dabei wehrt sich der alte Mann nur ein bisschen gegen die Vereinnahmung seiner Kunst. Diese Kunst ist eben mehr als Literatur – sie ist Text und Musik und Bild.
Bob Dylan wehrt sich gegen die verspätete und falsche Nobilitierung der Popmusik. Gegen die gönnerhafte Eingemeindung in den Kanon der Hochkultur hat ein bisschen sphinxhafte Arroganz noch nie geschadet.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 17.11.2016, 17:08 Uhr.