Was ist passiert? Der Musikriese Universal Music und die Social-Media-Plattform TikTok haben sich nicht auf einen neuen Lizenzvertrag einigen können. Der alte Vertrag läuft am 31. Januar aus – gibt es keine Einigung, bedeutet dies: Alle Songs von Musikschaffenden, die bei Universal unter Vertrag sind, würden ab Donnerstag von TikTok entfernt. «Das kommt zwar nicht aus heiterem Himmel», sagt Benjamin Fischer, Wirtschaftsredaktor bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, «doch es ist ein harscher Schritt, den es in diesem Umfang noch nie gab.»
Was führte zum Entscheid von Universal? In einem offenen Brief erhob das Musiklabel am Dienstag schwere Vorwürfe gegen TikTok: Die Plattform würde den Musikschaffenden nur «einen Bruchteil» dessen anbieten, was andere Online-Plattformen bezahlen. Auch lasse TikTok massenweise Musik auf die Plattform, die mit Hilfe Künstlicher Intelligenz erstellte wurde. Damit treibe der Dienst «das Ersetzen von Künstlern durch KI» voran.
Welche Folgen hätte dies für TikTok? Der Ausstieg von Universal Music wäre ein erheblicher Schlag für die Plattform, denn die meisten TikTok-Videos werden musikalisch begleitet. «TikTok ohne Universal-Artists kann ich mir schlicht nicht vorstellen», sagt Mira Weingart, Moderatorin bei SRF Virus. «Das Musiklabel stellt die meisten Songs zur Verfügung, die TikTok-User nutzen.» Betroffen wären internationale Stars wie Taylor Swift, The Weeknd oder Lady Gaga, aber auch Schweizer Musikgrössen wie Stress, Faber oder Patent Ochsner.
Welche Folgen hätte dies für Musikerinnen und Musiker? Längst bestimmt TikTok den Erfolg von Musikschaffenden wesentlich mit und prägt auch die Charts: «Fast alle erfolgreichen Chartsongs gingen vorher auf TikTok viral», sagt Mira Weingart. «Wer heute als Musiker erfolgreich sein will, muss auch auf TikTok sein.» Ausserdem hilft TikTok gerade auch weniger bekannten Künstler, schlagartig berühmt zu werden. «So ging etwa der Song ‹Juicy› des Zürcher Rappers EAZ – ebenfalls bei Universal unter Vertrag – dank TikTok komplett durch die Decke.»
Was sagt Universal zu den Befürchtungen? Das Label räumte zwar ein, dass ihr Schritt Konsequenzen für die eigenen Artists haben werde. Man habe jedoch die Verantwortung, für faire Konditionen für sie zu kämpfen. «Aber Universal pokert hoch», sagt Weingart, denn: «Universal braucht TikTok genauso, wie TikTok Universal braucht.» So betrachtet nimmt hier ein Label seinen Musikschaffenden gerade eine wichtige Plattform weg.
Wie weiter nach der Pattsituation? Ob und wer in dieser Frage einlenkt, lässt sich derzeit nicht sagen. «Universal setzt darauf, dass die TikTok-User Sturm laufen, weil sie die Songs nicht mehr nutzen dürfen», mutmasst Wirtschaftsredaktor Benjamin Fischer. Ob dieser Druck genügt und wer am Ende einlenken wird, sei schwer zu sagen: «Aber da beide Parteien voneinander profitieren, ist davon auszugehen, dass dies kein Dauerzustand sein wird.»