Ende Januar wurde publik, dass Operndirektor Michael Fichtenholz das Opernhaus Zürich überraschend vor Vertragsende verlässt. SRF-Recherchen zeigen nun, dass dahinter Vorwürfe der sexuellen Belästigung stehen. Betroffen sind, so beteiligte Personen, junge Sänger, die Fichtenholz direkt unterstellt waren.
«Er tätschelte ihren Po und sagte anzügliche Dinge»
Für H.C. (Name der Redaktion bekannt) war die Anstellung am Opernhaus Zürich ein Glücksfall. Das änderte sich abrupt, so H.C., als der direkte Vorgesetzte Michael Fichtenholz seine Macht gegenüber jungen Berufs-Kollegen auszunützen begonnen habe.
«An Partys setzte er sich sehr nahe zu den jungen Männern, manchmal auf ihre Knie. Er sagte anzügliche, sexuell motivierte Dinge zu ihnen. Er betatschte meine jungen Kollegen unangemessen, tätschelte ihnen den Po, als er sich unbeobachtet fühlte.» Auch anzügliche Text-Nachrichten seien von Fichtenholz an Untergebene verschickt worden.
Die Grenzen zwischen Beruf und Privatem sei zunehmend verwischt worden. Wer seine Partys besuchte, sei von Fichtenholz beruflich gefördert worden. Wer ihn zurückgewiesen hätte, wurde dagegen weniger gefördert.
Stillschweigen vereinbart
H.C. attestiert dem Opernhaus grundsätzlich ein korrektes Vorgehen im Fall. Nachdem die Vorfälle von den Betroffenen gemeldet worden waren, sei eine Untersuchung durch eine externe Fachstelle eingeleitet worden. Fichtenholz kündigte daraufhin und für das Opernhaus schien der Fall erledigt.
«Wir wurden informiert, dass Fichtenholz das Haus verlässt. In der Mitteilung stand jedoch kein Wort über die Umstände des Abgangs. Wir sind doch durch dieses Verfahren gegangen, um weitere Kolleginnen und Kollegen vor ihm zu schützen.»
Der kaufmännische Direktor Christian Berner nimmt Stellung: «Für eine fristlose Entlassung gab es keine Gründe. Es stand nur eine ordentliche Kündigung im Raum. Wir hatten uns gut überlegt, ob wir eine Freistellung vornehmen sollten, haben uns dann jedoch dagegen entschieden.»
Verwaltungsrätin Jacqueline Fehr prüft «Fair Practice»-Richtlinien
Ähnlich äussert sich Opernhaus-Verwaltungsrätin und Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr gegenüber SRF: «Der Name der Person ist in der Szene beschädigt, man weiss davon.» Den Wunsch der Opfer nach Stillschweigen habe man respektieren müssen.
Fehr prüft nun, ob in Zürich – nach niederländischem Vorbild – eine Art «Fair Practice Code» zur Anwendung kommen soll. In den Niederlanden ist die Verpflichtung zu fairen Arbeitsbedingungen ein Kriterium für das Anrecht auf Fördergelder geworden. Das Opernhaus Zürich erhält vom Kanton jährlich rund 80 Millionen Franken Subventionen.
Für H.C. hinterlässt das Geschehene tiefe Spuren. Das Glück, in Zürich arbeiten zu dürfen, hat sich ins Gegenteil verkehrt: «Es fühlt sich unfair an und es isoliert einen.»
Auf mehrere Anfragen zur Stellungnahme hat Operndirektor Michael Fichtenholz nicht reagiert.