Sein Name hat einen besonderen Klang – auch heute noch, 100 Jahre nach seiner Geburt, 17 Jahre nach seinem Tod. Yehudi Menuhins Wohltätigkeitsorganisation «Live music now» bringt Konzerte zu denen, die nicht ins Konzert gehen können: Demenzkranke, behinderte Kinder, Wohnsitzlose – einzig finanziert durch Spenden.
Yehudi Menuhin bringt Künstler ins Klassenzimmer und damit Selbstbewusstsein zu den Kindern – MUS-E heisst das europaweite Projekt. Und sein Name steht einem der erfolgreichsten Schweizer Klassik-Festivals voran: dem Menuhin Festival Gstaad.
Yehudi Menuhin zieht. Das deutsche Magazin «Der Spiegel» schreibt in seinem Nachruf auf Yehudi Menuhin 1999: «Nur wenigen klassischen Künstlern ist es vergönnt, zu Lebzeiten auch für jene ein fester Begriff zu sein, die nie ein Konzert oder eine Platte von ihnen gehört haben.» Wer war dieser Wundergeiger, der so viele bewegt hat und noch immer bewegt?
Charismatische Persönlichkeit
Yehudi Menuhin war vieles: Wunderkind und Virtuose, Weltbürger, Humanist, Dirigent, Festivalgründer, Pädagoge, Gesundheitsapostel und unorthodoxer Jude. Der Geiger Volker Biesenbender bringt das Phänomen Menuhin so auf den Punkt: «Menuhin war über allem eine grosse, charismatische Persönlichkeit», sagt er.
Biesenbender erzählt von Menuhins Respekt: gegenüber der Putzfrau, die den Konzertsaal säubert; gegenüber den Sinti und Roma, die er immer wieder besucht und mit denen er gemeinsam musiziert. Mit Respekt begegnete er auch seinen Schülern.
Mut und Offenheit
Biesenbender selbst besuchte Menuhins Musikinternat in London. Dass sein Schüler nach der wertvollen Ausbildung für zehn Jahre Strassenmusik macht, enttäuscht Menuhin nicht. Im Gegenteil: er sei «ekstatisch begeistert» gewesen, als Biesenbender ihm später einmal seine Improvisationskünste vorführte.
Menuhin ist mutig: Er lädt fortan Biesenbender zu seinem Festival nach Gstaad ein, damit er dort vor Publikum improvisiert. «Das war damals etwas völlig Unerhörtes! Ein Affront!» erinnert sich Biesenbender.
Grenzgänger
Doch Menuhin ist offen für alles Neue. Und er setzt sich ein. Während des 2. Weltkriegs verlegt er seine Konzertpodien in die Truppenstützpunkte an der Front und in die Lazarette. Über 500 Konzerte spielt Menuhin vor Soldaten – unermüdlich.
Und versucht später ebenfalls mit Improvisation seinen geigerischen Horizont zu erweitern: gemeinsam mit dem indischen Sitar-Spieler Ravi Shankar und später auch mit dem Jazzgeiger Stéphane Grappelli.
Barmherzigkeit
Auch Adelina Oprean erinnert sich gern an ihren einstigen Lehrer Yehudi Menuhin. Sie studierte an der Menuhin-Academy in Gstaad. «Seine unbändige Freude am Spielen haben mir damals mein Lampenfieber genommen», erzählt sie, «man musste einfach mitgehen.»
Heute gibt sie Menuhins Werte an ihre Studentinnen und Studenten weiter. Seine Barmherzigkeit, seine Menschlichkeit, seine Güte. Seinen wunderschönen Geigenton aber könne man kaum imitieren: der sei angeboren. Und er fasziniert Oprean noch heute: «Ich habe in diesem Ton eigentlich immer gehört, dass dahinter noch eine ganze Welt ist.»