Melodien schreiben, die sofort ins Ohr gehen – wenn das einer konnte, dann Puccini. Melodien wie «Mi chiamano Mimì» aus seiner rührenden Studentenoper «La Bohème». Oder «Un bel dì vedremo», wie die von ihrem amerikanischen Liebhaber «Butterfly» genannte Geisha Cio-Cio-San in der gleichnamigen Oper «Madama Butterfly» singt: «Eines Tages werden wir uns wiedersehen». Schönster Gesang, oder wie es in der Oper heisst – Bel Canto.
Cio-Cio-San wartet auf die Rückkehr ihres Geliebten. Ihre Sehnsucht klingt wie zartes Porzellan, zerbrechlich. Sie ist schliesslich auch vergebens. Denn als dieser Geliebte, der Marineoffizier Pinkerton, zurückkehrt, hat er eine amerikanische Frau geheiratet.
Giacomo Puccini gehörte der Epoche des sogenannten «Verismo» an. Einer Richtung, die mehr als «nur» das Schöne in der Oper suchte, nämlich Wahrhaftigkeit.
Muse namens Asien
Puccini selber wollte zwar nicht zu dieser Komponisten-Gruppe der «Veristen» gehören, doch auch er suchte sehr wohl nach grösstmöglicher Authentizität. Vor allem, um seiner Japan-Oper «Madama Butterfly», die 1904 ihre Premiere hatte, einen glaubwürdigen Lokalkolorit zu geben. Puccini hat sie auch eine «japanische Tragödie» genannt.
Puccini suchte für seine «Butterfly» nach japanischen Melodien – und fand sie auf einer Spieluhr. «Endlich habe ich genug asiatisches Material für meine Oper», schreibt er begeistert.
Lange hat man nach den Quellen gesucht. Insbesondere für die Arie «Io seguo il mio destino» der Cio-Cio-San. 2013 ist man dann in den USA fündig geworden.
Schmetterlinge im Bauch
Ein Musikwissenschaftler entdeckte in einem Museum bei New York ein sogenanntes Harmoniphon, eine Kombination aus Spieldose und kleiner Orgel.
Schweizer Qualitätsarbeit, heisst es. Über die Walze dieser Spieluhr sind sechs Melodien abspielbar – eine davon entspricht exakt und bis auf die realen Tonhöhen der Arie der Cio-Cio-San. Die Spieluhr wurde 1877 in der Schweiz vom Bieler Uhrmacher Fritz Bovet hergestellt. Im Deckel seines Instruments ist die Adresse eines römischen Instrumentenhändlers zu finden, der wiederum mit Puccini befreundet war.
Voilà, die Verbindung war geschaffen. Die Spieluhr eines Schweizer Uhrmachers hat also durch römische Hände den Weg zu Puccini gefunden und somit auf die Opernbühne – zum Welterfolg der «Madama Butterfly».
Kleiner Nachschlag: Wenig scherte sich Puccini drum, dass diese auf der Spieldose mit «She Pa Moh» betitelte Melodie chinesischen und nicht japanischen Ursprungs ist. Und zweitens bedeutet der Titel des Liedes auf Deutsch «Die 18 Berührungen». Das verweist klar auf einen erotischen Inhalt: Der (männliche) Sänger preist 18 erotische Zonen vom Kopf bis zu den Zehen einer Frau. Es dürfte also kein Zufall sein, dass Puccini ausgerechnet dieses erotische Lied seiner Butterfly wörtlich auf den Leib schrieb.