Bei João Gilberto sah immer alles so leicht aus. Unangestrengt. Schwerelos. Der Sänger und Gitarrist war ein Meister des Understatements. Anders als etwa ein Rockgitarrist brauchte er nicht jedes Lick bühnengerecht wie eine sportliche Höchstleistung zu feiern.
Aus seiner Gitarre tanzten die Akkorde mühelos über die Taktstriche. Unter seinen Händen verflüssigten sich die Strukturen.
Der Zauber und die Stimme
Jeder, der das schon mal probiert hat, wird schnell merken: Das ist alles andere als einfach. Die Taktstriche können bockig im Weg, und ihre Aufhebung gelingt nur mit einem speziellen Zauber.
Als wäre das nicht schon genug, setzte João Gilberto mit seiner Stimme noch einen oben drauf. Die Phrasierung seines Gesangs schien eigenen Gesetzen zu folgen und funktionierte völlig losgelöst von der Begleitung. In seiner Stimme war nicht ein Hauch von Druck zu erkennen.
«Saudade», diese Sehnsucht
Dieser Gesangsstil ist der perfekte Ausdruck dieser sanften Wehmut, die im Wort «Saudade» ihre Entsprechung findet. In diesem Geist kreierten Antonio Carlos Jobim, Vinícius de Moraes und João Gilberto in den 1950er-Jahren die Bossa Nova.
Dafür brauchte es die Musik von Jobim, die Texte von Moraes und die Interpretation von Gilberto. Ihr Zusammenwirken charakterisierte dieses Lebensgefühl, das zum brasilianischen Exportschlager wurde. Oft kopiert, aber nie erreicht.
Dreissig Minuten Vergnügen
Idealtypisch ist das festgehalten in den bekannten Bossa-Nova-Klassikern mit der Sängerin Astrud Gilberto und dem amerikanischen Tenorsaxophonisten Stan Getz, aber auch etwa in der 2000er Produktion «João Voz e Violão».
Hier gibt es keine Arrangements, keine Streicher, keine Effekte, sondern einfach nur den Meister mit seiner Stimme und seiner Gitarre. Dreissig Minuten dauert das Vergnügen. Man hat den Eindruck, dass die Repeat-Taste auf dem CD-Player für Platten wie diese erfunden worden ist.
Unnahbar und abgetaucht
Als Mensch hingegen schien João Gilberto kein Meister der Schwerelosigkeit zu sein. Schon früh im Leben trat er den inneren Rückzug an und verschanzte sich in einem Apartment in Rio.
Die Geschichte seiner Suche nach Gilberto erzählt der Zürcher Filmemacher Georges Gachot in seinem Dokumentar-Film «Wo bist Du, João Gilberto?».
Obwohl sich der Regisseur alle Mühe gibt, einen Kontakt herzustellen, bleibt Gilberto abgetaucht. Näher als bis vor die Tür, hinter der João Gilberto täglich singt und spielt, kommt er ihm bis zum Schluss nicht.