Es soll ja Museumsbesucher geben, die machen sich eine Challenge daraus: Sie schmuggeln am Aufsichtspersonal vorbei das Handy aus der Tasche, um unbemerkt ein Kunstwerk zu fotografieren. Etwa das Bild «Untitled #129» von Cindy Sherman, das momentan im Kunsthaus Zürich zu sehen ist. Am besten ein Selfie – und ab damit auf Instagram.
Sorry, aber man kann sich das Versteckspiel sparen. Den Aufseher im Kunsthaus wird’s nicht interessieren (solange man beim Selfie nicht rücklings ins Bild fällt). Im Gegenteil: Die Ausstellung «Untitled Horror» animiert regelrecht zum Selfie-Plausch. Eine App zur Ausstellung enthält – neben ganz nützlichen Funktionen wie Audioguide, Soundtrack zur Ausstellung und Werkinfos – eine unterhaltsame Selfie-Funktion. Man kann Cindy Sherman spielen und sein Selfie mit Perücken, Sonnenbrillen oder geschminkten Lippen dekorieren.
Fotografieren soll immer erlaubt sein
Bei Cindy Sherman bietet sich das an: Sie macht im Grunde seit Jahrzehnten Selfies und inszeniert sich auf Fotos in verschiedenen Rollen und Posen. Doch wichtiger ist: Das Beispiel zeigt exemplarisch, wie das Fotoverbot in Museen ausgedient hat. In der eigenen Sammlung des Kunsthauses war Fotografieren schon immer erlaubt, bei Sonderausstellungen hängt das vom jeweiligen Künstler respektive seiner Agentur ab.
Der Trend ist offensichtlich. Björn Quellenberg, Medienverantwortlicher des Kunsthauses, sagt: «Wir sind der Auffassung, dass wir den Gepflogenheiten der Besucher in Zukunft mehr entgegenkommen müssen. Es ist unser Ziel in den nächsten Jahren, mit dem Leihgebern zu schauen, ob wir die Verträge so ändern können, dass das Fotografieren in Ausstellungen grundsätzlich erlaubt ist.»
Die Realität hat das Verbot eingeholt
Auch andere Museen gehen mit der Zeit – zum Beispiel Luzern: Auf der Website des Kunstmuseums steht zwar noch: «Fotografieren ist in den Ausstellungsräumen nicht gestattet.» – doch die Realität hat das Verbot eingeholt: Bilder mit Smartphones und Kompaktkameras sind in der eigenen Sammlung neu erlaubt. Ein Selfie vor einem Ölgemälde von Ferdinand Hodler? Kein Problem!
Man kann das Knipsen mit dem Smartphone in den Sakralräumen der Kunst verteufeln oder lustig finden. Doch wegdiskutieren lässt es sich nicht mehr. Man muss sich dem Zeitgeist anpassen. «Es gab auch Druck vonseiten des Publikums und immer wieder Diskussionen, wieso man nicht fotografieren dürfe», sagt Lena Friedli, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kunstmuseum Luzern.
Auch in Deutschland haben verschiedene Museen das Fotoverbot aufgehoben – Italien will gleichziehen. Und in Grossbritannien fordern Museen geradezu dazu auf, seine Museumsbilder bei Twitter oder Instagram zu posten.
Schweizer knipsen noch zögerlich
Es sind vor allem Touristen, die in Schweizer Museen gerne die Kamera zücken. Schweizer Besucher scheinen dem Paradigmenwechsel in Museen noch nicht recht zu trauen. Man findet unter Hashtags wie #museumselfie oder #artselfie zwar jede Menge Bilder, doch grossmehrheitlich aus dem englischen Sprachraum.
«Schweizer Museumsbesucher sind passiver, das klassische Museumsverhalten ist noch präsenter», sagt Daniele Turini, verantwortlich für Marketing und Kommunikation im Historischen Museum Basel. In dessen Räumen ist Fotografieren ohne Blitz und Stativ überall erlaubt.
Die Museumskultur ist im Umschwung, das diskrete, aber bestimmte: «No photos, please!» wird man immer weniger hören. Doch viele Häuser sind noch überfordert mit dem Wandel: «Museen wissen oft noch nicht, wie sie die Neuen Medien in die Ausstellungen integrieren wollen», so Turini. Das Historische Museum macht es vor – etwa mit Twitter-Treffen, sogenannten Tweetups.