Er sei von seinem Job total ausgelaugt gewesen. Hätte das Bett tagelang nicht verlassen, nicht mehr selbstständig essen können, erzählt Bobby Burns.
Bobby Burns ist kein überarbeiteter Firmenchef. Sondern ein amerikanischer Youtuber, 21 Jahre alt, schlacksig, schulterlange Haare, fast eine Million Fans.
Fast täglich hat er ein neues Video produziert, bis zum Burn-out, wie er im Video «I Had A Breakdown» schildert: «Youtube ist irrsinnig stressig. Es macht dich krank im Kopf. Darüber wird viel zu wenig gesprochen.»
«Ist Youtube das wert?»
Bobby Burns ist kein Einzelfall. Auffällig viele Youtube-Profis diagnostizieren sich gerade selbst ein Burn-out oder erzählen von Depressionen und Panikattacken, weil sie sich überarbeitet haben.
Etwa der deutsche Gamer NebelNiek, 700'000 Abonnenten, der vor zwei Jahren von der Plattform verschwand und nun in einem neuen Video den Grund dafür nennt: Burn-out und Depression. Oder die Kanadierin Elle Mills, 1,3 Mio Abonnenten, die im Video «Burn-out mit 19» von Einsamkeit und «überwältigendem Druck» spricht.
Einer der Top-Fünf-Youtuber der Welt, der spanischsprachige El Rubius, will zugunsten seiner psychischen Gesundheit eine Auszeit einlegen. Und PewDiePie, der meistabonnierte Youtuber überhaupt, warnte Anfang des Jahres seine Mitstreiter davor, es mit neuen Videos und guter Laune zu übertreiben: «Ist Youtube das wirklich wert?»
Eine Frage des Abschaltens
«Bobby Burns berichtet in seinem Video, dass er keine Pause eingelegt, nur sechs Stunden pro Nacht geschlafen und sich sozial zurückgezogen hat. Diese Verhaltensweisen führen unabhängig von Medien zu einem Burn-out», sagt die Psychologin Carmen Zahn, die sich mit neuen Medien in der Arbeitswelt beschäftigt.
Soziale Medien an sich könnten uns nicht krank machen oder ausbrennen. Aber ihr hohes Tempo sei ein Faktor, der im Fall von digitalen Profis belastend sein könne.
«Die entscheidende Frage ist, wie man damit umgeht. Schaffe ich es, mir Pausen einzuräumen – also diese Informationsumwelt, die mich tendenziell überreizt, zeitweilig zu verlassen und mir Entspannung zu suchen? Oder bleibe ich ständig online, ständig beschäftigt, ständig kognitiv überbeansprucht – was am Ende zwangsläufig in die Überforderung führt?»
Geschäft mit Klicks
Dass sich junge Youtuber mit dem Abgrenzen und Abschalten schwer tun, hat auch damit zu tun, wie diese Plattform funktioniert. Auch wenn die Videos gegen aussen spontan, nahbar und positiv wirken: Das Vermarkten von Klicks ist – vor allem im englischen und spanischsprachigen Raum – ein professionell betriebenes Geschäft.
Professionelle Youtuber leben eine Form der digitalen Selbstständigkeit: mit fliessenden Übergängen zwischen Privatleben und Job, ohne feste Arbeitszeiten oder Anspruch auf Auszeiten.
Unklare Vorgaben
Wer via Youtube Geld verdienen will, muss sich dort viele Fans und einen Namen machen. Wie viel Arbeit dahinter steckt, sei von aussen oft nicht sichtbar, sagt der Schweizer Youtuber Lionel Battegay. Er arbeitet, neben dem Studium, rund 20 Stunden pro Woche für seinen erfolgreichen Comedy-Kanal «Ask Switzerland».
Für ihn gibt es Gründe, nicht alles auf die Karte Youtube zu setzen: «Jeder der Videos produziert, macht sich abhängig von der Plattform. Diese kann mit ihren Algorithmen sehr genau bestimmen, welche Art von Video wie erfolgreich wird. Es ist eine schnelllebige Branche – und der Algorithmus kann dich plötzlich auslöschen.»
Pausen werden abgestraft
Auslöschen, das bedeutet: nicht mehr auf der Startseite oder als Vorschlag unter anderen Videos aufzutauchen. Wie genau der Algorithmus funktioniert, ist unklar. «Er wird schleichend angepasst. Die Youtuber werden darüber nicht informiert, sondern müssen selbst recherchieren und experimentieren», erklärt Lionel Battegay.
Klar ist: Youtube bevorzugt Kanäle, die regelmässig neue Inhalte teilen. Wer sich eine Pause leistet, wird abgestraft. Der Druck, immer neue Videos zu produzieren, ist entsprechend gross. «Die Opportunitätskosten für eine Pause sind sehr hoch», sagt Lionel Battegay: «Denn verlorene Zuschauer sind aus Sicht der Youtuber verlorenes Geld.»
«Kein Mitleid bitte»
Dass dies bei den ganz Grossen zu Burn-outs führe, könne er sich zwar gut vorstellen. Trotzdem bleibe Youtube für die meisten ein Hobby, mit dem sie irgendwann Geld machen konnten.
Generelles Mitleid sei daher fehl am Platz, findet Lionel Battegay: «Auch ein selbstständiger Fahrlehrer kann nicht einfach ohne Folgen zwei Monate Pause machen. Wir Youtuber haben also kein Mitleid verdient. Aber klar ist, viele sind 24/7 dabei – dann mag man irgendwann nicht mehr.»