Im Kreis 5 wollte sie sich verabreden, hier ist sie daheim. Rachel Braunschweig, in Zürich geboren, fällt durch ihre fröhliche Bescheidenheit auf, die ihren Aussagen im Gespräch nur noch mehr Nachdruck und Authentizität verleiht. Die Schauspielerin wirkt trotz ihres momentan andauernden Erfolges auf charmante Art bodenständig.
Selbstbewusst mit gutem Grund
«Ich hatte Glück», sagt sie, um sich sogleich zu korrigieren: «Nein, Glück ist das falsche Wort. Im Grunde fordere ich das ein!» Denn ihre Erfolge, so Braunschweig, haben auch etwas mit ihrer Einstellung zu tun: «Ich bin da, mit meinem ganzen Sein und mit meinem Alter. Die Geschichten, die ich verkörpere, sind erzählenswert – und es gibt ein Publikum dafür.»
Die studierte Schauspielerin sagt das zurecht selbstbewusst. Seit wenigen Jahren erst steht die 52-Jährige im Rampenlicht. Sie spielte in Filmen wie «Die göttliche Ordnung» (2017), «Blue My Mind» und «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» (beide 2018). In «Zwingli» überzeugte sie 2019 als Katherina von Zimmern, so dass sich das Publikum fragen musste, warum der Film dem Reformator und nicht seiner Zeitgenossin, der letzten Äbtissin Zürichs, gewidmet war.
Doch selbst wenn Rachel Braunschweig bisher Nebenrollen besetzte – wie auch im neuen Züricher «Tatort», in dem sie die Staatsanwältin Anita Wegenast mimt – fällt sie stets ins Gewicht. Ihr Gesicht bleibt im Gedächtnis hängen und bereitet dem Publikum trotz der Vielfalt der Rollen den wohligen Effekt des Wiedererkennens.
Eine Frage, die nur Frauen zu hören kriegen
Auf die etwas ungläubige Frage, ob sie in ihrem neuen Kinofilm «Spagat» tatsächlich ihre erste Hauptrolle spiele, bemerkt Braunschweig trocken, dass so eine Frage einem gleichaltrigen männlichen Kollegen sicher nicht gestellt würde.
Womöglich hat sie Recht? «Darüber ärgere ich mich tatsächlich», fährt sie fort. «Es gibt viele Schauspieler, die erst mit 50 ihre grossen Erfolge feierten – aber das scheint niemand zu bemerken.» Namen reicht Braunschweig gerade hinterher: Morgan Freeman, Christopher Waltz, Antony Hopkins.
Aber auch Braunschweig muss einräumen, dass die Angebote für Schauspielerinnen ab 40 drastisch abnehmen. «Es gibt bei Frauen diesen schrecklichen Ausdruck der ‹Fuckability›: Solange eine Frau noch eine sexuelle Anziehung auf Männer ausstrahlt, kommt sie für gewisse Rollen eher in Frage... Leider ist es immer noch so, dass Männer im Alter interessant werden – zumindest in den Augen der Männer – und Frauen einfach alt.»
«Ich werde wahrgenommen und gehört»
Rachel Braunschweig hat im Alter von 40 Jahren den Film noch einmal neu für sich entdeckt, und der Film entdeckte sie. Sie glaubt fest daran, am richtigen Ort zu sein – und das Publikum dankt es ihr.
«Ich bekomme ein grosses Echo zurück, werde wahrgenommen und gehört. Dementsprechend kommen auch immer wieder Angebote für interessante Projekte.» Und nächstes Mal im Kino durchfährt einen wieder dieses wohlige Gefühl: «Schön, Sie wiederzusehen, Frau Braunschweig!»