Inhaltlich trennen sie Welten: Albert Rösti politisiert für die SVP, Regula Rytz für die Grünen. Beide sind seit zehn Jahren im Nationalrat, beide präsidierten ihre Partei.
Rösti und Rytz bekämpfen einander in Kommissionen, vor der Kamera und im Ratssaal. Und doch sagen beide, dass sie es gut miteinander können. Im Gespräch erklären sie, wie man in der Politik richtig streitet.
SRF: Mit wem streitet es sich einfacher: mit politischen Feinden oder Freunden?
Albert Rösti: Ich streite lieber mit jemandem, den ich menschlich mag – gerade bei unterschiedlichen Positionen. Je besser man einander kennt, umso mehr hält man aus in der Debatte. Und kann einander nachher trotzdem noch in die Augen schauen. Ich weiss – trotz aller Differenzen: Es gibt nicht nur die Nationalrätin Regula Rytz, sondern auch die Privatperson.
Regula Rytz: Zu streiten haben wir gelernt, als wir einander als Parteipräsidentin und Parteipräsident gegenüberstanden. Da muss jeder und jede polarisieren und polemisieren, sonst wird man nicht wahrgenommen. Das gehört zum Spiel. Ausserdem: im Schweizer Polit-System muss man mit Freund und Feind Allianzen schmieden können.
Wie ist es, wenn man politisch am gleichen Strick ziehen sollte, sich aber menschlich nicht versteht?
Rytz: Das muss man professionell angehen: das Ziel vor Augen haben und über Befindlichkeiten hinwegsehen.
Nach der Debatte in der ‹Arena› ein Bier trinken zu gehen ist für mich normal.
Rösti: In der Politik muss man einander nicht lieben. Auskommen reicht. Auch innerparteilich. Hier können die Kämpfe unschön sein. Schliesslich geht es um Posten, um Einfluss. Es gibt das Sprichwort zur Steigerungsform von «Feind»: Feind, Erzfeind, Parteifreund.
Welche Befriedungsstrategien haben Sie, wenn Sie heftig aneinandergeraten – einander zum Znacht einladen?
Rösti: So weit kommts noch, dass wir auch im Privaten weiterstreiten! Im Ernst: wenn ich nach jedem harten Kampf nicht mehr mit dieser Person sprechen würde, wäre das Politisieren schnell zu Ende. Im schlimmsten Fall gehe ich jemandem mal eine Woche lang aus dem Weg.
Rytz: Wir kennen uns ja schon lange, da hält man einiges aus. Nach der Debatte in der «Arena» ein Bier trinken zu gehen ist für mich normal. Meistens. Politikerinnen und Politiker aus anderen Ländern staunen über solche Sitten.
Wo sind für Sie die Grenzen?
Rösti: Bei mir brauchts schon viel, dass ich das Gespräch verweigere. Entscheidend ist, ob man auf das Programm zielt oder auf die Person. Die Integrität einer Person öffentlich anzuzweifeln, das geht für mich gar nicht.
Das schlimmste ist Streiten per E-Mail oder WhatsApp. Streiten soll man von Angesicht zu Angesicht.
Rytz: Für mich gibt es klar Grenzen. Wir können über Energiepolitik streiten oder andere Sachfragen. Aber wenn Ihr von der SVP auf den Schwächsten herumreitet, den Flüchtlingen – oder damals in den 1990er-Jahren das Messerstecher-Plakat –, das finde ich unsäglich. Da hört bei mir der Spass auf.
Rösti: Als die Jungen Grünen mich als Plakat durch Zürich trugen und als «Handlanger der Heizöl-Lobby» sozusagen zum Abschuss freigaben, fand ich das auch nicht lustig. Trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, dass Regula Rytz mir das angetan hat. Das muss man trennen können.
Streiten Sie im Politischen anders als im Privaten?
Rytz: Für mich unterscheidet sich das politische Streiten nicht gross von der persönlichen Auseinandersetzung. Ich habe immer gerne debattiert, auch mit Leuten, die ganz andere Ansichten haben. Sonst wär's ja langweilig!
Rösti: Für mich ist es schon anders. Nicht alle Leute sind gemacht für das harte Streiten. Privat bin ich deshalb zurückhaltender. Ich kann ja dann wieder im Parlament mit Regula Rytz streiten, sag ich mir jeweils.
Was lernt man von der Politik fürs gute Streiten?
Rytz: Streit und Kooperation gehören zusammen. Wir sitzen alle an einem Tisch, jeder und jede zieht sozusagen an einer Ecke des Tischtuchs. Was dann bleibt, ist das in der Mitte. Ich lerne zu akzeptieren, dass nicht immer alles hundertprozentig meinen Vorstellungen entspricht.
Rösti: Man sitzt am gleichen Tisch und streitet mit offenem Visier. Und vielleicht findet man eine Lösung. Vielleicht aber auch nicht. Das schlimmste ist Streiten per E-Mail oder WhatsApp. Die elektronischen Kommunikationsmittel sind toll fürs Organisieren. Aber streiten soll man von Angesicht zu Angesicht. Das lernt man von der Politik: Man kann heftig streiten und dann auseinandergehen – und jeder hat seine Meinung gesagt.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.