Wer die Schwanzmeise beobachten will, muss wache Augen haben. Denn der kleine Vogel, keine 10 Gramm schwer, ist ständig in Bewegung. Fliegt und hüpft von Ast zu Ast. Pickt rechts und links. Und ist schon wieder weg. Die Schwanzmeise oder das «Pfannenstielchen», wie es in historischen Vogelbüchern heisst, lebt in lichten Wäldern, im Gebüsch, an Waldrändern, in Hecken, Obstgärten, Parks und Friedhöfen.
Schwanz sorgt für Balance
Zum Herumturnen sind der Schwanzmeise die äussersten Spitzen von Zweigen am liebsten. Dort kommt sie an Insekten, Spinnen und deren Larven heran, davon ernährt sie sich hauptsächlich. Hangeln, hüpfen, sich kopfüber an einen Zweig hängen und mit einem Fuss noch ein Häppchen krallen – all das ist kein Problem für die Schwanzmeise. Dabei hilft ihr der lange, namensgebende Schwanz beim Ausbalancieren. Würde man diesen Schwanz kürzen, wäre es vorbei mit der Turnerei.
Nicht nur punkto Turnen ist die Schwanzmeise eine Streberin. Auch den Nestbau beherrscht sie perfekt: Ihr Nest ist meist ein kunstvoller, sehr kompakter, geschlossener, ovaler Bau aus Gräsern, Haaren, Moos und Spinnweben, weich ausstaffiert mit Federn. Ausserdem ist es gut getarnt. Oft sogar mit Flechten jenes Baumes, in dessen Astgabeln das Nest mit dem seitlichen Einflugloch gut festgezurrt ist und so Wind und Wetter trotzt. Geht das Nest doch einmal kaputt, legt die Schwanzmeise sofort wieder los. Im Eiltempo und mit weniger Aufwand fertigt sie eine Art Billigversion eines Nestes.
Schlafplätze aushandeln
Beim Aufziehen der Jungen gibt es viele Verluste. Darum kommt es vor, dass anstelle der Schwanzmeisen-Eltern Rotkehlchen einspringen. Dafür haben Schwanzmeisen auch schon bei der Aufzucht einer Kohlmeisenbrut geholfen.
Ausserhalb der Brutzeit, wenn kein Revier zu verteidigen ist, sind die Schwanzmeisen untereinander äusserst gesellig. In kalten Winternächten bilden sie Schlafgemeinschaften. Zuerst rücken zwei Vögel auf einem Ast zusammen, dann kommen immer mehr dazu, manchmal bis zu 80 Vögel. So trotzen sie der Kälte. Wer wo sitzt, hängt von einer komplizierten Logik ab. Darum dauert es manchmal gar eine halbe Stunde, bis jeder Vogel an seinem Platz einschlafen kann. Am Morgen wird die Versammlung dann unbürokratische aufgelöst. Und man hat wieder seine liebe Mühe, den sprunghaften Vögeln mit dem Blick zu folgen, wie sie von Ast zu Ast, von Häppchen zu Häppchen eilen.
Sendung: Radio SRF2 Kultur, Kultur-Aktualität, 19.4.2016, 7:20 Uhr.