Ein braunes, stellenweise zerfressenes Stück Papier, mit schwarzer Tinte beschrieben, geschützt durch ein Stück Plexiglas: So sieht der fast 1800 Jahre alte Brief aus.
Damit Sabine Hübner, Professorin für Alte Geschichte und Entdeckerin des Briefes, das Dokument anschauen kann, muss sie ins untergeschossige Archiv der Universität Basel steigen. Dort erhält sie den Papyrus, verpackt in eine schlichte Kartonmappe mit einem Band verschnürt.
Das Schriftstück bringt Hübner ins Schwärmen: «Ich finde es beeindruckend, ein Originaldokument vor mir liegen zu haben, das 1800 Jahre alt ist – und dazu in dem Wissen, dass wir hier die erste Handschrift eines Christen haben.»
Neuer Blick auf die Geschichte
Dieses Stück Papier hat für die Forschung einen grossen Wert. Zugespitzt gesagt: Es verändert unseren Blick auf die Geschichte des frühen Christentums im Raum Ägypten.
Der Brief zeige, so Hübner, dass die Christen um das Jahr 230 nach Christus bereits eine wichtigere Rolle einnahmen, als Historiker bislang annahmen. Verfasst hat den Brief ein gewisser Arianus. Er schrieb an seinen Bruder Paulus, der auf einer Reise war. Unter anderem bittet er ihn, Fischsauce von seiner Reise mitzubringen.
«Hier haben wir zwei Brüder, die voll integriert sind. Es sind führende Persönlichkeiten ihrer Stadt. Einer ihrer Bekannten oder Brüder ist sogar Priester im Kaiserkult», erklärt Hübner. Man wisse, dass sie reiche Landbesitzer und Lokalpolitiker waren. Und dass die Familie sogar Sklaven besass.
Unterdrückung der Christen nur punktuell
Wichtig dabei: Die Brüder können beides miteinander verbinden: Einerseits leben sie ihre Religion, das Christentum, andererseits haben sie eine gute Stellung in der damaligen römischen Gesellschaft im alten Ägypten.
Bis jetzt gingen Historiker davon aus, das sei für Christen erst später möglich gewesen. Weiter zeigt der Brief auch, dass die Verfolgung von Christen im Römischen Reich eher eine punktuelle Unterdrückung war und weniger systematisch, als man bislang annahm.
Der Brief rückt jetzt ins Rampenlicht, weil Sabine Hübner beweisen konnte, wie alt dieser Papyrus tatsächlich ist. Dafür hat sie verschiedene historische Quellen miteinander verglichen und interpretiert. Sabine Hübner sorgte damit weltweit für Schlagzeilen.
Lange darf sie aber nicht mit dem Original hantieren. Das Licht könnte dem alten Papyrus schaden. Für ihre Forschung muss sich auch Sabine Hübner mit einer detaillierten Fotografie des alten Briefs begnügen.
Sie packt das Original wieder zurück in den Karton. Der jahrhundertealte Papyrus verschwindet wieder im Keller – zurück zur kleinen Papyrussammlung der Universität Basel, die ein Käufer vor rund 100 Jahren in Ägypten erworben hatte.