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UNO-Klimakonferenz Die Emissionen steigen – die Erfolgschancen sinken

In einer Woche beginnt in Madrid die UNO-Klimakonferenz. Sie steht vor einer Herkules-Aufgabe: Ein neuer Bericht der UNO-Umweltabteilung, der Unep, zeigt: Noch immer stösst die Menschheit Treibhausgase in Massen aus, statt sie zu senken.

Gestiegen statt gesunken – im letzten Jahr ging es mit den CO2-Emissionen erneut in die falsche Richtung. Will die Weltgemeinschaft noch eine Chance haben, die Erwärmung der Erde bei 1.5 Grad zu stoppen – das hatte sie im Pariser Abkommen beschlossen – dann müsste der CO2-Austoss ab sofort sinken.

«Eine Herkules-Aufgabe»

Doch das ist kaum möglich, sagt Umweltökonom Philippe Thalmann von der ETH Lausanne. Denn viele CO2-Emissionen seien auf Jahre hinaus festgelegt: «Die Kohlekraftwerke werden weiter funktionieren, das Öl ist schon unterwegs: So schnell kann das gar nicht gehen.»

Und selbst wenn: Die Reduktionsrate, die die Welt für das 1.5-Grad-Ziel erreichen muss, ist enorm. Bis 2030 müsste sich der jährliche CO2-Ausstoss mehr als halbieren.

Klimaforscher Reto Knutti von der ETH Zürich kommentiert dies so: «Was wir noch ausstossen könnten, ist extrem klein – die Reduktionen müssten im Bereich von bis zu 7 Prozent pro Jahr sein. Technisch nicht unmöglich, aber es wäre eine Herkules-Aufgabe.»

Ein beschönigter Befund

Im Rahmen des Pariser Klima-Abkommens haben fast alle Staaten Ziele formuliert, wie stark sie ihre CO2-Emissionen bis 2030 reduzieren wollen. Doch diese Ziele sind fast durchs Band ungenügend. Sie würden die Erwärmung erst bei etwas über 3 Grad stoppen, statt wie angepeilt bei 1.5.

Und dieser Befund beschönige die Lage noch, warnt der neue Unep-Bericht. Viele Länder hätten bisher kaum Massnahmen ergriffen, um selbst diese ungenügenden Ziele zu erreichen. Bleibt dies so, könnte die globale Erwärmung um 3.5 Grad oder mehr zunehmen, warnt die Unep.

«Eine 3 bis 4 Grad wärmere Welt wäre eine dramatisch andere Welt», sagt Reto Knutti. «Zwar könnten wir in dieser Welt leben – aber es wäre mit extremer Anpassung und extremen Kosten verbunden.»

Auch die Schweiz hinkt hinterher

Momentan berät das Schweizer Parlament die Anpassung des CO2-Gesetzes. Die Dringlichkeit mag dank der Demonstrationen der Klimajugend gefühlsmässig angekommen sein, im Gesetzesentwurf ist sie aber nicht ablesbar.

Erinnern wir uns: Um die Erwärmung bei plus 1.5 Grad zu stoppen, müsste der CO2-Ausstoss ab sofort pro Jahr um 7 Prozent sinken.

«Die Schweiz hat im Inland momentan 1 Prozent pro Jahr für das revidierte CO2-Gesetz vorgeschlagen», sagt Knutti. «Wir sind also weit davon entfernt, die 7 Prozent zu erreichen.»

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Die Schweiz macht also das, was alle Länder tun: Sie schiebt die Aufgabe weiter in die Zukunft. Bis 2050 will der Bundesrat den Netto-CO2-Ausstoss der Schweiz auf null senken.

Damit dies realistisch ist, müsste das revidierte CO2-Gesetz deutlich mehr anpeilen als eine Reduktion des CO2-Austosses um 30 Prozent, sagt Umweltökonom Thalmann: «Das Ziel, dass man in der Schweiz die Emission im Vergleich zu 1990 um 30 Prozent senkt, reicht nicht – es müssten mindestens 50 Prozent sein. Das sagt die Wissenschaft, nicht nur ich.»

«Auf Kosten der nächsten Generation»

Und wenn die Schweiz bei ihrer gemächlichen Gangart bleibt? Dann muss irgendwann die jährliche CO2-Reduktion noch höher sein als die eh schon schwierigen 7 Prozent, die heute nötig wären, um das 1.5-Grad-Ziel zu erreichen.

So warnen der Unep-Bericht und Klimaforscher Knutti: «Das heisst, wir leben jetzt auf Kosten der nächsten Generation. Sie muss dann die Vollbremsung machen, wenn sie dieses Ziel noch erreichen will.»

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