Murmeltiere tun es, Bären und Igel tun es auch: Sie halten Winterschlaf, um klirrende Kälte und Nahrungsmangel zu überstehen.
Dabei wird der Stoffwechsel stark reduziert, um Energie zu sparen. Bei einigen Winterschläfern sinkt die Körpertemperatur in der Folge gar unter den Gefrierpunkt.
Winterschlaf ist weit verbreitet
Inzwischen haben Biologen dieses Verhalten bei viel mehr Arten entdeckt als ursprünglich vermutet. «Wir finden es in elf von 17 Säugetier-Ordnungen», sagt Thomas Ruf, Professor an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
Das wirft die Frage auf: Schlummert die Fähigkeit zum Winterschlaf auch in uns Menschen?
Der Affe kann's
Es gibt Hinweise, die dafür sprechen. Erstens halten selbst nahe Verwandte des Menschen aus dem Reich der Primaten eine Art Winterschlaf: die Lemuren Madagaskars und Loris in Vietnam.
Weil in ihrem Lebensraum kein frostiger Winter sondern Nahrungs- und Wassermangel die Ursachen sind, nutzen Forscher statt der Bezeichnung «Winterschlaf» meist den allgemeineren Begriff «Torpor» – lateinisch für «Erstarrung».
Kein Winterschlaf-Gen
Zweitens haben Wissenschaftler keine speziellen Gene gefunden, die den Eintritt in den Energiesparmodus steuern. «Das scheint ein uraltes Verhalten zu sein, das überall präsent ist und abgerufen werden kann oder nicht abgerufen werden kann», so der Marburger Winterschlaf-Forscher Gerhard Heldmaier.
Welche physiologischen Vorgänge dabei eine Rolle spielen, ist zwar noch sehr unklar. Es scheint aber prinzipiell möglich, dass der Energiesparmodus in jedem Säugetier-Körper angeschaltet werden kann.
Uralte Veranlagung?
Drittens gibt es einzelne Beobachtungen, die darauf hinweisen, dass auch der Mensch in Notzeiten seinen Stoffwechsel herunterfahren kann. Vor mehr als 100 Jahren erschien ein Bericht über Bauern im Nordwesten Russlands, die während der langen, kalten Winter nahezu alle Aktivitäten einstellten.
Gerhard Heldmaier verweist auch auf den Fall einer Norwegerin, die während eines Winterausflugs mit Bekannten ins Eis einbrach. «Es hat etwa eine halbe Stunde gedauert, bis sie sie wieder rausziehen konnten. Und sie ist komplett wiederhergestellt worden.»
Energiesparmodus für die kalten Tage
Die Vermutung des Forschers: Diese Menschen fallen in eine Art Winterschlaf, drosseln ihren Stoffwechsel und überdauern so die Kälte. Ob und wie sich die Fähigkeit zum Beispiel durch Medikamente gezielt auslösen liesse, ist unklar.
Allein die theoretische Möglichkeit aber hat Gerhard Heldmaier vor einigen Jahren dazu bewogen, eine Arbeitsgruppe zu Torpor bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA zu gründen.
Sparflamme im Spaceship
Die Vision: Raumfahrer sollen dereinst gezielt auf Sparflamme schalten können. Bei einem Flug zum Mars müssten dann viel weniger Sauerstoff und Nahrung mitgeführt werden.
Gerhard Heldmaier: «Wenn man es vom Bären überträgt: Der spart etwa 75 Prozent Energie ein im Winterschlaf.»
Auch unter Medizinern hat die Idee vom gezielten Energiesparmodus bereits Hoffnungen geweckt: Schwerverletzte könnten so schonend in die Notaufnahme transportiert werden; einzelne Organe für Transplantationen wären länger haltbar.
(T)raumschiff zum Mars
Doch die Vision birgt auch Risiken, warnt der Wiener Biologe Thomas Ruf. Ein Experiment mit Erdhörnchen zeigte zum Beispiel, dass Winterschlaf vergesslich machen kann.
«Übertragen auf die Raumfahrt hiesse das natürlich: Man läuft Gefahr, wenn man Astronauten in Winterschlaf versetzt, dass sie zwar am Mars ankommen mit wenig Sauerstoffverbrauch – aber nicht mehr wissen, was sie da sollten.»