In diesem Jahr gab es im Alpenraum noch kaum Hochdruckgebiete. Meist war das Wetter unbeständig, und es fiel immer wieder Regen. Betrachtet man die Niederschlagsmengen im ersten halben Jahr 2024, so war es praktisch in der ganzen Schweiz zu nass. Besonders gross war der Niederschlagsüberschuss im Osten und Süden. In diesen Gebieten fielen meist 40 bis 60 Prozent mehr Niederschläge als sonst in der ersten Jahreshälfte. In Lugano und Locarno war letztmals 1986, also vor 38 Jahren, eine erste Jahreshälfte noch nasser als 2024. Im Norden muss man in den Jahrbüchern weniger weit zurückgehen, um ein nasseres erstes Semester zu finden. An vielen Orten fiel nördlich der Alpen 2013 oder 2016 noch mehr Niederschlag.
Extremereignisse im Juni
Von Januar bis Anfang Juni fiel oft flächiger Niederschlag, so auch Anfang Juni, als vor allem der Nordrand der Schweiz und die benachbarten Gebiete Süddeutschlands von Starkregen heimgesucht wurden. Seither gilt für den Bodensee, inklusive Untersee, eine Hochwasserwarnung. In der zweiten Junihälfte waren es lokale, heftige Gewitter oder auch Fronten, die örtlich durch Gewitter unwetterartig verstärkt wurden. So traf es am 21. Juni das Misox sowie das Mattertal und am 29. Juni die Region Maggiatal und das Südwallis. Lokal gab es für den Monat Juni neue Tageshöchstwert, so beispielsweise am 21. Juni in Grono im Misox mit 124,2 Millimetern oder am 29. Juni in Simplon-Dorf mit 101,3 Millimetern. Obwohl es sich um neue 24 Stundenmaxima handelte, fiel in der Realität der Niederschlag meist innerhalb von 6 bis 18 Stunden, was auch die extremen Abflusswellen und zahlreichen Hangrutsche erklärt. Neue 24 Stundenrekorde für den Monat Juni wurden auch im französisch-sprachigen Jura verzeichnet. In Bullet bedeuteten 63,5 Millimeter einen neuen Rekord, in L’Auberson wurden 129,7 Millimeter verzeichnet. Das war dort sogar ein absoluter Stationshöchstwert. Noch grösser war die 24 Stunden-Regenmenge am 29. Juni in Binn. Dort wurde ein Wert von 158 Millimetern pro Stunde gemessen, auch das war ein lokaler Juni-Höchstwert. Die heftigen Gewitter am 26. und 27. Juni im Kanton Schaffhausen sorgten dagegen für keine neuen Spitzenwerte. 57,8 Millimeter in Schleitheim bedeuteten dort aber auch den zweithöchsten Junimesswert. – Auch am ersten Juliwochenende ging es mit Starkregen weiter. Im Südtessin fielen stellenweise mehr als 200 Millimeter in weniger als 24 Stunden.
Immer wieder nass – besonders am Wochenende
Nicht nur die Niederschlagsmengen lagen weit über der Norm, sondern auch die Niederschlagshäufigkeit. In Braunwald wurden beispielsweise 96 Niederschlagstage verzeichnet (bei 182 zur Verfügung stehenden Kalendertagen). Im langjährigen Schnitt werden dort 82 Niederschlagstage verzeichnet. Nicht anders sieht es in Zürich aus: Dort gab es 80 Niederschlagstage, statt der üblichen 65. Auch in der Sonnenstube der Schweiz wurden massiv mehr Regentage verzeichnet als sonst. In Lugano waren es 72 statt 48. In der allgemeinen Wahrnehmung waren es sogar noch deutlich mehr Niederschlagstage. Dieser Eindruck täuscht nicht. In der Meteorologie wird erst ab einer Niederschlagsmenge von 1 Millimeter von einem Niederschlagstag gesprochen. Um richtig nass zu werden, reicht aber deutlich weniger, und das kam immer wieder vor.
Wolken hatten Hochkonjunktur
Gefühlt gab es seit Jahresanfang auch kaum Sonnenschein. An den meisten Orten in der Schweiz zeigte sich die Sonne rund 200 Stunden weniger als sonst, was einem Sonnenscheindefizit in der Grössenordnung von 20 Prozent entspricht. Im Norden war es an den meisten Orten 2013 oder 2016 noch grauer. Im Süden muss man bedeutend weiter zurückgehen. In Lugano und Locarno wurden letztmals 1986 noch weniger Sonnenstunden verzeichnet als in diesem Jahr. In Sitten wurde 1983 und 1988 noch weniger Sonnenschein gemessen, in Chur nur 1983. Auf dem Jungfraujoch gab es seit Einführung der automatischen Sonnenscheinmessung Anfang der 80er-Jahre noch nie weniger Sonnenstunden.
Keine Abtrocknung
Da sich die Sonne rar machte und der Boden durch Niederschläge immer wieder nass wurde, konnte er nicht mehr richtig abtrocknen. Entsprechend wurden viele Hänge instabil. Es kam zu Hangrutschen und viel Schuttmaterial gelangte in die Gewässer. Dieses verkeilte sich teilweise und staute die Hochwasser führenden Gewässer. So traten Gewässer teilweise über die Ufer, wo es nicht erwartet wurde. Dazu kam in den alpinen Einzugsgebieten teilweise noch ergiebig Schmelzwasser dazu.
Wann nimmt der Spuk ein Ende?
Nach den aktuellen Wettermodellen zeichnet sich weiterhin kein kräftiges Hochdruckgebiet ab. Herrscht weiterhin Tiefdruck oder Flachdruckwetter muss mit neuen heftigen Gewittern gerechnet werden. Nach intensiven Niederschlägen wirkt der Prozess selbstverstärkend. Scheint kurze Zeit die Sonne, verdunstet das viele Wasser an der Oberfläche. Da praktisch alle Flächen noch nass sind, ergibt dies eine nahezu maximale Verdunstung. Entsprechend kommt es viel schneller zu neuer Quellwolkenbildung und nachfolgend auch wieder zu Regengüssen und Gewittern. Besonders stark fallen solche Ereignisse aus, wenn uns aus Süden oder Südwesten feucht-heisse, labil geschichtete Mittelmeerluft erreicht. Dies war auch am 21./22. Juni und am 29./30. Juni der Fall.