Das hydrologische Jahr dauert jeweils vom 1. Oktober bis zum 30. September. Im vergangenen hydrologischen Jahr (2023/24) gab es sehr viel Niederschlag. Speziell im Osten unseres Landes bewegten sich die Niederschlagsmengen im Bereich der absoluten Rekorde. In St. Gallen wurden fast 50 Prozent mehr Niederschlag gemessen als in einem Durchschnittsjahr, auf dem Säntis waren es sogar knapp über 50 Prozent.
Bei Hochgebirgsstationen ist aber bei der Interpretation der Zahlen immer eine gewisse Vorsichtgeboten, da im Winter durch Schneeverwehungen die Messungen verfälscht sein können, besonders in einem schneereichen Winter, wie das im Winter 23/24 der Fall war. Deutliche Niederschlagsüberschüsse gab es auch im Süden der Schweiz. Allerdings war man an den Stationen mit langen Messreihen im Mittel- und Südtessin deutlich von Rekorden entfernt. Der Niederschlagsüberschuss betrug in Locarno und Lugano rund 20 Prozent.
Zweitnassestes Jahr
In Chur wurden im hydrologischen Jahr 2023/24 1141 Millimeter Niederschlag gemessen. Nur im Kalenderjahr 1999, notabene einem Jahr mit sehr vielen Lawinen, gab es mit 1196 Millimetern noch etwas mehr Niederschlag. Ebenfalls die zweitgrösste Niederschlagsmenge wurde auf dem Säntis verzeichnet mit 4096 Millimetern. Noch mehr Niederschlag fiel dort nur im Jahre 1922. Wie erwähnt sind die Messergebnisse dort mit Vorsicht zu geniessen, zumal auch der Ort der Messung im Laufe der Jahrzehnte auf dem Säntis mehrfach verschoben wurde.
Das drittnasseste Jahr in der Messreihe erlebte St. Gallen. In der Gallusstadt waren nur die Jahre 1922 und 2002 noch nasser.
Generell zu viel Niederschlag
Allgemein war der Jurabogen und die Nordwestschweiz die trockenste Gegend der Schweiz. Aber auch dort gab es mehr Niederschlag als sonst. In Basel beträgt der Überschuss rund 10 Prozent.
Allerdings gibt es auch dem Jura entlang grosse Unterschiede. Einzelne heftige Gewitter in den Sommermonaten führten an der einen oder anderen Stationen zu sehr grossen Regenmengen.
Der Regen war ein Segen
Mit dem vielen Niederschlag konnte das Grundwasserdefizit weitgehend kompensiert werden. Der viele Niederschlag, verbunden mit sehr hohen Temperaturen, im vierten Quartal 2023 führte dazu, dass sehr viel Energie aus Wasserkraft produziert wurde. Selbst in den Wintermonaten konnte Energie exportiert werden, und die im Voraus befürchtete Strommangellage war auf Grund der meteorologischen Verhältnisse kein Thema.
Zusätzlich starker Gletscherabfluss
Im vergangenen Winter fiel sehr viel Schnee im Hochgebirge, entsprechend war die Hoffnung gross, dass in diesem Jahr die Schweizer Gletscher nicht weiter an Eisvolumen verlieren würden. Die heissen Monate Juli und August, der August war im Hochgebirge der wärmste seit Messbeginn, führten aber erneut zu einem Volumenverlust von rund 2,5 Prozent (Schweizer Gletschermessnetz, GLAMOS, 2024). Im hydrologischen Jahr 2023/24 schmolzen 1,2 Kubikkilometer Eis, was ungefähr dem Volumen des Bielersees entspricht.
Das Volumen der Schweizer Gletscher beträgt aktuell noch 46,4 Kubikkilometer, was in er Schweiz einer durchschnittlichen Regenmenge von rund sieben Monaten entspricht.
In heissen Sommermonaten mit wenig Niederschlag kompensiert das Schmelzwasser mindestens teilweise den fehlenden Niederschlag. Dies wird in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts nicht mehr der Fall sein, wenn die Gletscher soweit abgeschmolzen sein werden, dass das Schmelzwasser in der Wasserbilanz nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.
Wieso läuft der hydrologische Kalender anders?
Grund für die Kalenderverschiebung in der Wasserwirtschaft sind die Schneefälle und das Verhalten der Gletscher. Schneefall, der im Gebirge im Spätherbst fällt, kommt erst im folgenden Frühling, im Extremfall sogar erst im Sommer, zum Abfluss.
Entsprechend macht es Sinn, die Bilanz Ende September zu ziehen. In diesem Jahr führte auch dies zu Fehlern, fiel doch Ende September viel Schnee in den Alpen, der bis am 30. September noch nicht vollständig geschmolzen war. Entsprechend würde es sich sogar aufdrängen, die Bilanz Ende August aufzustellen. Dies würde aber dem Verhalten der Gletscher nicht gerecht. Heisse Tage, wie wir sind in diesem Jahr in der ersten Septemberwoche erlebten, sorgen nochmals für eine grosse Gletscherschmelze. Aber selbst das hydrologische Jahr ist nicht überall gleich. In Deutschland dauert es vom 1. November bis zum 30. Oktober. Dies hat vor allem mit den weniger hohen Bergen zu tun, so dass die Schmelze oft bis Ende Oktober weitergeht.