Lange Zeit wurde in diesem Jahr nur über zu viel Regen und fehlenden Sonnenschein diskutiert. Südlich der Alpen hat sich die Wetterlage Mitte Juli aber fast unbemerkt deutlich umgestellt. Der Juli war beispielsweise in Locarno im Vergleich zur Norm 1991 bis 2020 rund 1,8 Grad zu warm, im Vergleich zur klimatologisch relevanten Norm der Jahre 1961 bis 1990 sogar 3,3 Grad. In anderen Jahren mit Hitze machte sich rasch auch Trockenheit bemerkbar, und am Lago Maggiore herrschte Niedrigwasser. Vor genau einem Jahr lag der Seespiegel in Brissago bei 192,39 Metern, nur gerade 8 Zentimeter über dem Minimum für die Jahreszeit. Jetzt liegt der Seepegel auf einem Niveau von 193,73 Metern. Das sind 19 Zentimeter unter dem jahreszeitlichen Höchstwert und 17 Zentimeter unter dem Wert des Hochwasser-Sommers 2021. Vergleicht man den aktuellen Pegel mit dem Wert vor genau einem Jahr so ist der See heute um 1 Meter 34 höher (Pegelstandsdaten: BAFU). Die nachfolgende Bildgalerie wurde immer von der gleichen Stelle in Ascona aufgenommen und zeigt den Pegel des Lago Maggiores jeweils Ende Juli oder Anfang August.
Zusätzlich 285 Milliarden Liter
Der Lago Maggiore weist insgesamt eine Fläche von gut 212 Quadratkilometern auf. Vergleicht man den aktuellen Wasserstand mit dem Wert vor einem Jahr, so sind heute im Lago Maggiore rund 285 Milliarden Liter zusätzliches Wasser gespeichert. Dieser Wert ist nicht unbedeutend, ist doch der Lago Maggiore an seinem Südende gestaut, und die Wasserreserven des Sees werden zum Teil für die Bewässerung der Poebene genutzt.
Hoher Seepegel: Segen und Risiko
Der hohe Wasserstand des Lago Maggiores ist Segen für zahlreiche Gebiete in Norditalien. Gleichzeitig birgt er aber durchaus ein Risiko für die direkten Seeanlieger. Fällt im Spätsommer oder im Frühherbst ergiebiger Regen am Alpensüdhang, dann steigt das Risiko für Überschwemmungen. Dazu eine kurze Rückblende: Im August 2023 stieg der See von 192,29 Meter am 26. August auf 193,73 Meter am 30. August. An der Regenmessstation Locarno fielen innerhalb von 96 Stunden gut 280 Millimeter Regen. Es folgten bis Ende Oktober sechs weitere grosse Niederschlagsereignisse mit mehr als 50 Millimeter Regen in 24 Stunden. Ähnliche Ereignisse können in diesem Herbst nicht ausgeschlossen werden, zumal die Adria mit Wassertemperaturen im Bereich von knapp 30 Grad sehr warm ist, und entsprechend mit einem sehr grossen Wasserdampftransport zu den südlichen Alpen gerechnet werden muss.
Waldbrandgefahr
Der hohe Seepegel ist die eine Seite, die Trockenheit die andere Seite. Seit dem 12. Juli gab es in Locarno keinen nennenswerten Niederschlag mehr. In dieser Zeit fielen insgesamt weniger als 4 Millimeter Regen. Kein Wunder ist stellenweise Waldbrandgefahr auch schon wieder ein Thema, da die Bodenoberfläche an vielen Orten bereits wieder ausgetrocknet ist. Aktuell besteht auf der Alpensüdseite Waldbrandgefahr der Stufe 2. In den kommenden Tagen geht es im Süden mit grosser Hitze weiter. Stellenweise sind aber auch kräftige Gewitter möglich.