Seit Mitte März regnet es fast täglich, teilweise auch sehr kräftig, wie am vergangenen Sonntag, als auf dem Napf 66 Millimeter Regen innerhalb von 60 Minuten fielen. In Zürich, St. Gallen und Chur gab in diesem Frühling schon deutlich mehr Regen als in den Jahren 2021 und 2022, und dies obwohl der meteorologische Frühling 2023 noch 19 Tage dauert. In Sitten ist es schon jetzt seit 2006 der nasseste Frühling. Blickt man voraus auf die erwartete Niederschlagsmenge in den kommenden Tagen, dann wird es generell der nasseste Frühling seit mindestens 2016 werden. Es stellt sich daher, zumindest für den Norden, die Frage: Steuern wir sogar auf einen Hochwassersommer wie 2021 zu?
Situation nur bedingt vergleichbar
Vor zwei Jahre war der Winter deutlich niederschlagsreicher als jetzt. In St. Gallen fiel praktisch doppelt so viel Regen und Schnee wie in diesem Winter, in Lugano war es praktisch ein Faktor 3. Im März waren die Niederschlagsmengen ähnlich, allerdings war es 2021 deutlich kühler. Dagegen war der April 21 sehr trocken, wenn auch kalt. Der grosse Regen setzte aber erst im Laufe des Monats Mai und im Juni ein. Fakt ist: Mitte Mai ist bezüglich Niederschlag im Sommer noch vieles offen. Sollte es aber in den kommenden Wochen wirklich kräftig weiter regnen, könnte der trockene Winter plötzlich noch von Vorteil sein. So gibt es nebst dem Niederschlag nicht auch noch einen grossen Schmelzwasserbeitrag. Spannend ist der Vergleich zum Frühling 2013. Damals gab es Ende Mai und im Juni an zahlreichen Seen Hochwasser. Schon jetzt liegen die Niederschlagsmengen im Frühling im ähnlichen Bereich wie damals. Allerdings gab es damals während der Wintermonate in der Deutschschweiz 50 bis 80 Prozent mehr Niederschlag als jetzt. An vielen Stationen im Höhenbereich um 2000 Meter über Meer liegen die Schneehöhen momentan im Bereich des langjährigen Mittels. Allerdings ist für den Abfluss nicht die Schneehöhe sondern das sogenannte Wasseräquivalent entscheidend, und da der Schnee viel weniger verdichtet ist als sonst Mitte Mai, ist auch das Wasseräquivalent deutlich geringer als sonst zu dieser Jahreszeit.
In welche Richtung schlägt das Pendel?
In den letzten Jahren folgte auf einen nassen Frühling meist ein trockener Sommer. 2006 gab es nach einem kalten Winter auch einen kalten und nassen Frühling. Anfang Juni schneite es in der Ostschweiz noch bis auf 700 Meter herunter, und an vielen Orten war es der nasseste Frühling seit Messbeginn. Danach folgte bis Ende Juli eine Hitzewelle und kaum noch Niederschlag. So durften am Bundesfeiertag keine Feuer entfacht werden. Auch 1983 folgte auf einen nassen und kalten Frühling ein Hitzesommer mit Temperaturen in Basel bis 38,4 Grad. Sowohl 1993 wie auch 2007 war der Frühling eher trocken und warm, dafür war der Sommer nass und kühl. 2003, 2018 und 2022 folgte auf einen trockenen und warmen Frühling gleich auch noch ein Hitzesommer. In der Tendenz folgt also auf einen nassen und kühlen Frühling eher ein heisser und trockener Sommer. Die Ausnahme war 2021, als sich an einen kalten und lange Zeit nassen Frühling ein Hochwasser-Sommer anschloss.
Was sagt die Langfristprognose?
Nach der amerikanischen Langfristprognose von NOAA dürfte der Sommer zu warm ausfallen, speziell der Juli. Copernicus sieht bis Mitte Juni leicht nassere Verhältnisse als sonst zu dieser Jahreszeit. Allerdings sind Langfristprognosen mit grosser Vorsicht zu geniessen. Eine klarere Tendenz für den Sommer sieht man meist erst zu Beginn des Julis.