Sie waren alle drei Uhrmacher, Arbeiter und sie streikten in Grenchen, wie man es in der ganzen Schweiz tat. Sie kämpften für eine sozialere Schweiz, forderten unter anderem eine 48-Stunden Woche, eine AHV, das Frauenstimmrecht und mehr Mitsprache für die Arbeiterschaft in der Politik. Der Generalstreik endete für sie tödlich.
«Für eine gerechtere Welt starben sie am 14. November 1918 – im Gewehrfeuer der Ordnungstruppen», steht auf der Gedenktafel in Grenchen, einem der wenigen Orte, die an dieses Kapitel Schweizer Geschichte erinnert.
Tragische Wende
Wie konnte es soweit kommen? Historikerin Edith Hiltbrunner hat die Ereignisse in Grenchen erforscht. In der Uhrmacherhochburg Grenchen habe die Arbeiterschaft geschlossen gestreikt. Die kleine Truppe mit Soldaten aus der Region sei nicht eingeschritten. Sie habe sogar für ein Foto mit den Streikenden posiert.
Kommunikationsprobleme
Am dritten Streiktag kapitulierte die nationale Streikleitung in Bern. Bedingungslos, aus Angst vor einem Bürgerkrieg. In Grenchen aber, streikte man weiter. Die Kommunikationsmittel waren unterbrochen, die oberste Streikleitung konnte die Grenchner nicht informieren. Als das Gerücht die Runde gemacht habe, der Streik sei abgebrochen, glaubten die Arbeiter dies seien «Fake News», sagt Hiltbrunner.
Die Streikenden in Grenchen wussten nichts von der Kapitulation.
Die Stimmung sei explosiv gewesen. Und just zu dieser Zeit seien Truppenverstärkungen in Grenchen eingetroffen, welche die Regierung und die Industriellen bestellt hätten: Soldaten aus Bern und dem Waadtland. Diese hätten keine Zeit gehabt, die Lage zu beurteilen. Es sei unklar gewesen, wer das Kommando habe.
Die Truppen trieben die Streikenden durch die Stadt. Diese wiederum beschimpften die französischsprachigen Soldaten. Da erteilte ein Major seinen Füsilieren den Schiessbefehl – im sogenannten «Stinkgässli».
Sie wurden alle von hinten erschossen. Sie wollten fliehen, doch dass ging nicht. Sie waren gefangen in der Gasse.
Klassenjustiz
Die Militärjustiz untersuchte die blutigen Ereignisse. Edith Hiltbrunner kennt den Bericht. Objektiv sei dieser nicht. Die Schuld an den Ereignissen sei alleinig den Streikenden zugewiesen worden. Dies mache den Eindruck einer Klassenjustiz, so Hilthbrunner.
Mehrere Arbeiter wurden verhaftet. Dem Grenchner Streikführer entzog man gar das Bürgerrecht. Die Opferfamilien forderten vom Bundesrat eine Entschädigung. Dieser habe abgelehnt. Sein Argument: Die Opfer seien selbst schuld.
Tabu brechen
Für Grenchen und seine Bewohner sei es schwierig gewesen, mit diesen Ereignissen umzugehen. Die Opfer, ihre Arbeiter, seien zu Tätern gemacht worden. Dies habe dazu geführt, dass man lange nicht darüber sprach. Die drei Toten von Grenchen seien tabuisiert worden. Auch seien die Akten jahrzehntelang unter Verschluss gewesen. Nun aber sei das Thema wissenschaftlich aufgearbeitet. Man spreche wieder darüber. «Wir sind dran, dass Tabu zu brechen», sagt Historikerin Hiltbrunner.
Sendebezug: Schweiz Aktuell, 19:00 Uhr