Glaubt man den Verfechtern der Energiewende, sind die grossen Kraftwerke (Atomkraftwerke, thermische Kraftwerke) heute out. In seien dagegen die Kraftwerke auf dem Hausdach (Photovoltaik) oder im Keller (Blockheizkraftwerke, Kraft-Wärme-Kopplung). Von der zentralen Energieproduktion also hin zur dezentralen Stromerzeugung.
Wenn das so ist, braucht es da noch Grosskonzerne wie die Axpo? Für Andrew Walo ist die Antwort ganz klar Ja. «Es stimmt, es gibt einen Trend zur dezentralen Stromerzeugung», sagt der neue CEO der Axpo. «Aber gleichzeitig braucht es neben diesen vielen kleinen Kraftwerken auch die grossen, die die Netzstabilität garantieren.»
Mit den grossen Kraftwerken meint Andrew Walo zum Beispiel Kohlekraftwerke, die dann Strom produzieren, wenn der Wind gerade nicht so recht will oder wenn die Sonne nicht scheint. In der Schweiz allerdings will er keine solche Kraftwerke bauen. Hier setzt er lieber auf den Ausbau der Wasserkraft. Zum Zustand der Axpo sagt er: «Wir sind mit 100 Jahren in bester Form.»
Wasserkraft ist Vergangenheit und Zukunft
Damit knüpft Andrew Walo an die Tradition der Axpo an, die 1914 als Nordostschweizerische Kraftwerke AG von verschiedenen Kantonen gegründet wurde. Die Stromerzeugung stecke damals noch in den Kinderschuhen. Aber die Politik erkannte, dass es die Energieform der Zukunft war.
Und diese Energie wollte man schon früh selber kontrollieren und nicht dem freien Markt überlassen. Im Hinterkopf hatten die Politiker von damals noch den Wildwuchs bei den Eisenbahnen. Die privaten Unternehmen hatten sich im 19. Jahrhundert bis aufs Blut bekämpft. Diesem Eisenbahnkrieg setzte die Verstaatlichung 1898 ein Ende.
Mit der Gründung der NOK übernahmen die Kantone der Nordwestschweiz 1914 die Aktien des Stromverbundes Beznau-Löntsch. Dieser Stromverbund bestand aus dem Wasserkraftwerk Beznau und dem Pumpspeicherwerk Löntsch im Kanton Glarus. Die beiden Werke waren durch eine Leitung miteinander verbunden.
Bandenergie als Grundkonzept
«Beznau-Löntsch ist wichtig, weil es das erste Werk war, das Bandenergie lieferte», erklärt der Badener Historiker Bruno Meier. «Es ist das Grundkonzept der Schweizer Energiewirtschaft. Wenn ein Flusskarftwerk überflüssigen Strom hat, pumpt man damit Wasser in einen Speicher. Mit diesem Speicher kann man dann in Spitzenzeiten Strom produzieren.»
Vom Boom über erste Bedenken bis heute
Das System NOK funktionierte hervorragend. Vor allem nach dem zweiten Weltkrieg boomte die Stromproduktion. Alle profitieren: Die Bevölkerung und die Wirtschaft hatten billigen Strom, die Kantone profitierten von den grossen Dividenden der Stromkonzerne.
Ab den 60er-Jahren wurden die Töne in der Energiediskussion dann immer schärfer. Umweltbedenken wurden geäussert. Der Preis für den Ausbau der Wasserkraft war hoch: Der Aargau verlor praktisch alle seiner natürlichen Flusslandschaften. Öl- und Kohlekraftwerke wurden als Alternativen diskutiert, fanden bei der Bevölkerung aber keinen Anklang. Die Atomenergie bot sich als Ausweg an, vermeintlich sauber und effizient.
Axpo-CEO sieht schwierige Zeiten voraus
1969 nahm die NOK das erste Kernkraftwerk der Schweiz, Beznau I, in Betrieb. Es folgten weitere Atomkraftwerke. Doch der politische Widerstand wurde immer grösser. Das Atomunglück in Fukushima bedeutet vermutlich das Ende der Kernenergie in der Schweiz.
Die NOK heisst heute Axpo. Ihr neuer Chef ist seit Februar 2014 Andrew Walo. Er hat seinen Posten in einer turbulenten Zeit übernommen. «In der Tat, es gibt ein Spannungsfeld zwischen verschiedenen Ansprüchen», sagt Walo. «Aber ich habe mein Amt mit Freude übernommen. Ich bin sicher, dass wir auch diese schwierigen Zeiten meistern.»