Auf dem grossen Betonplatz neben dem Bahnhof in Oensingen herrscht emsiges Treiben. Lastwagen fahren aus allen Himmelsrichtungen auf den Platz und vom Platz weg. Im hinteren Teil stehen aber auch Bahnwagen bereit. Und sowohl auf Bahnwagen wie auf den Lastwagen steht derselbe Firmenname: Railcare.
Das ist das Modell der Härkinger Firma. Sie kombiniert den Transport auf Schiene und Strasse. Grosse Kunden wie Coop, Emmi, Heineken oder McDonalds setzen auf die Dienste des Solothurner Logistikers. Vor allem Frischprodukte werden von Railcare transportiert - viele Container auf dem Platz in Oensingen haben deshalb ein eingebautes Kühlaggregat.
Der Weg eines Kopfsalats aus Italien
Railcare bietet Transporte «von Tür zu Tür» wie andere LKW-Transporteure auch. Dabei kommen bei Railcare die Güter für längere Strecken aber auf die Bahn. Beispiel Kopfsalat aus Italien: Dieser wird von den Gemüsehändlern nach Stabio im Tessin geliefert. In Stabio betreibt Railcare wie in Oensingen einen von insgesamt neun «Hubs» in der Schweiz - also Umladestationen.
Der Kopfsalat gelangt nun von Stabio aus per Eisenbahn in ein regionales Verteilzentrum des Grossverteilers. Dort wird der Kopfsalat sortiert und in einen Rollwagen für eine bestimmte Filiale gelegt. Dieser Rollwagen kommt in einen Railcare-Container und gelangt per Eisenbahn wieder nach Oensingen.
Hier wird der Container auf einen Lastwagen von Railcare umgeladen und direkt in die Filiale des Grossverteilers gefahren. «Die letzte Meile, wo es keine Schienen mehr hat, die machen wir mit dem Lastwagen», erklärt Railcare-Geschäftsführer Philipp Wegmüller sein Geschäftsmodell.
Vorteil Schiene: Weniger Stau
Weshalb aber setzen Railcare und ihre Kunden überhaupt auf Schienentransporte? Natürlich spiele der Umweltschutz eine Rolle, meint Wegmüller. Grosskunde Coop zum Beispiel setzt mit dem kombinierten Verkehr auch seine eigenen CO2-Reduktionsziele um. Aber für viele Kunden sei der Umweltgedanke zweitrangig.
«Es ist auch nicht so, dass wir einen Bonus haben und höhere Preise verlangen könnten», gibt Railcare-Chef Wegmüller zu bedenken. Viel mehr profitierten die Kunden davon, dass der Eisenbahntransport Pünktlichkeit garantiere. «Auf den Strassen ist die Situation immer prekärer, die Staustunden nehmen zu». Gerade bei Frischprodukten sei absolute Zuverlässigkeit aber zentral.
Nachteil Schiene: Es braucht Masse
Railcare profitiert also von den verstopften Strassen. Aber auch das Schienennetz ist stark belastet. Railcare mietet als privater Anbieter sogenannte «Slots» auf dem SBB-Netz. Man sei flexibel, weil man auf kurze und schnelle Züge setzen.
Güterzüge sind üblicherweise 700 bis 800 Meter lang und fahren entsprechend langsam. «Railcare-Züge sind kurz und haben das gleiche Tempo und Bremsverhalten wie Schnellzüge. Man kann uns deshalb zwischen zwei Zügen fahren lassen», erklärt Wegmüller das Geheimnis.
Das System «kombinierter Verkehr» funktioniert allerdings nur für grosse Kunden. «Es braucht eine kritische Menge und einen regelmässigen Ausstoss», so Wegmüller. Denn nur «ein voller Zug ist ein guter Zug». Railcare ist aber optimistisch, dass es da noch einige potentielle Kunden gibt.
Die Firma ist in den letzten Jahren rasant gewachsen und beschäftigt aktuell in der ganzen Schweiz etwa 300 Angestellte. Über 100 davon im Kanton Solothurn - am Hauptsitz in Härkingen und an der Umladestation in Oensingen. Täglich sind fünf Lokomotiven rund um die Uhr im Einsatz, 20-25 Züge lässt Railcare täglich rollen. Das entspricht 250 Sattelschleppern.
Grün ist weniger wichtig als günstig
Bisher ist Railcare die einzige Firma, die kombinierten Verkehr in dieser Form für inländische Transporte anbietet. Theoretisch könnten weitere Mitbewerber dazu stossen - seit über zehn Jahren ist der Güterverkehr auf den Schienen schliesslich liberalisiert. Allerdings seien die Eintrittshürden gross, erklärt Philipp Wegmüller. «Man muss Lokomotiven kaufen oder mieten, Rollmaterial. Und es braucht Fachpersonal.» Railcare dürfte also bis auf weiteres der einzige Anbieter bleiben.
Die Konkurrenz sei für ihn sowieso nicht auf der Schiene, so Philipp Wegmüller. «Unsere Konkurrenz ist die Strasse», sagt der Railcare-Chef. Und tönt damit erneut die grösste Herausforderung seiner Firma an. Sie muss bestehen in einer extrem umkämpften Branche, in der um jeden Rappen gefeilscht wird. «Grüne» Logistik hin- oder her: Sie muss rentieren.