Wenn Herbert Meinke am ausgebauten 90-Tonnen-Rotor vorbei läuft, dann kommen die Erinnerungen an 2013 schnell hoch. «Ja, das nervt mich heute immer noch», erklärt der Leiter des Kernkraftwerks Gösgen. Weil sechs kleine Löcher am Rotor nicht fertig ausgestanzt waren, lief der Rotor unregelmässig und das Werk stand 20 Tage still.
Nun, ein Jahr später, wir der Rotor anlässlich der alljährlichen Revision des Kraftwerkes wieder ausgebaut und genau kontrolliert. Nicht nur das: Unzählige Revisionen an verschiedenen Stellen des Kraftwerkes stehen an. Für jeden Schritt gibt es genau vorgeschriebene Abläufe, erklärt Elektrotechnik-Leiter Patrick Gehri.
900 zusätzliche Mitarbeiter für die Revision angeheuert
Für die Revision werden Hunderte externe Mitarbeiter gebraucht, die in den vier Wochen der Revision im AKW Gösgen arbeiten. Während sonst gut 400 Personen in und ums AKW arbeiten, sind es nun nochmals 900 Personen mehr. Eine grosse logistische Übung für das Kraftwerk. Auch das Personalrestaurant wird dabei gefordert, denn gearbeitet rund um die Uhr im Schichtbetrieb.
Auf einer Führung durch den Maschinenraum, den Schaltraum und das Areal wird auch klar, welche Änderungen die Nuklear-Katastrophe von Fukushima für Gösgen hatte. So wurden beispielsweise höhere Schutzmauern errichtet, auf der Aare-Seite des Kraftwerks, wegen eines allfälligen Hochwassers.
Kraftwerk ist zu «99,99 Prozent sicher»
Zusätzliche Dieselmotoren wurden als Notstromaggregate angeschafft. «Das sind mobile Einheiten, die wir je nach Bedarf an verschiedenen Orten auf dem Gelände einsetzen können», erklärt Herbert Meineke. Das Kraftwerk sei nun zu 99,99 Prozent sicher: Erdbeben wie in Japan oder auch Jahrhunderthochwasser können dem Kernkraftwerk nichts mehr anhaben, erklärt Meineke.
«Einer von vier grossen Dieselmotoren haben wir bereits so umgerüstet, dass der gesamte Motorenblock inklusive allem was dazugehört auf einer Federung steht und Erdbeben aushalten kann», so der Kraftwerksleiter.
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Bild 1 von 11. Im letzten Betriebsjahr produzierte das AKW 7315 Millionen Kilowattstunden Strom, also 12 Prozent des Schweizer Stroms. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 11. Das Herzstück des AKW Gösgen: Der Schaltraum. Hier arbeiten im Normalbetrieb zwölf Personen. Links im Raum wird der Bereich des Reaktors überwacht, rechts der sogenannte sekundäre Bereich, also Turbinen und Generatoren. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 11. Der «rote» Knopf: Wenn der rote Knopf (der dritte von links) gedrückt wird, wird das AKW sogleich heruntergefahren. Ein Mal im Jahr wird dieser Knopf gedrückt - jeweils während der Revision. Letzte Woche war es so weit. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 11. Kraftwerksleiter Herbert Meineke (links) und Elektrotechnikleiter Patrick Gehri im Raum, wo die Elektronik von Generatoren und Turbinen zusammenläuft. Der Bereich des Reaktors ist in einem separaten Raum. Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 11. Der untere Bereich des Maschinenraums, sechs Meter unter der Erde: In den Kernkraftwerken Gösgen und Beznau ist dieser Teil ohne Schutzkleidung zugänglich. Anders bei Mühleberg und Leibstadt: Dort zieht der radioaktive Dampf durch diesen Raum. Bildquelle: SRF.
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Bild 6 von 11. 2013 gab es nach dem Einbau des Rotors Probleme, sodass der Lieferant Siemens nochmals vorbei kommen musste. Die Reparatur war zulasten von Siemens. Weil sechs der Löcher im Rotor nicht fertig ausgestanzt waren, konnte das AKW 20 Tage lang nicht betrieben werden. Wie hoch der finanzielle Schaden war, sagt das Kraftwerk nicht. Bildquelle: SRF.
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Bild 7 von 11. Im Maschinenraum des Kraftwerkes befinden sich Turbine und Rotor. Wäre das AKW ein Mensch, wär dieser Raum so etwas wie die Muskeln. Bildquelle: SRF.
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Bild 8 von 11. Für jeden Arbeitsschritt der Revision gibt es ein Papier, in dem dieser Vorgang genau beschrieben ist. Dort steht auch, wer die Arbeit ausführt und wie lange das dauert. Bildquelle: SRF.
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Bild 9 von 11. Folge von Fukushima: Aufgrund des Reaktor-Unfalls in Japan im März 2011 hat das Kernkraftwerk Gösgen weitere Dieselmotoren angeschafft, welche an verschiedenen Standorten platziert werden können... Bildquelle: SRF.
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Bild 10 von 11. ... und auch die fest installierten Dieselmotoren wurden umgebaut. Die gelben Vorrichtungen sind Stossdämpfer, die auch Erdbeben wie in Japan aushalten können. Dieser Dieselmotor hat 4000 PS und könnte ein Schiff antreiben. Bildquelle: SRF.
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Bild 11 von 11. Blick in den Reaktor: Anhand des Modells lässt sich das Innere erblicken. Bildquelle: SRF.
Ausgewechselt werden auch die radioaktiven Brennstäbe, die für die Kettenreaktion und damit für die Stromproduktion genutzt werden. Von den 177 Stäben müssen dieses Mal 32 ausgewechselt werden. Keine grosse Sache, erklärt Herbert Meineke. «Wir haben jeweils für zwei bis drei Jahre neue Brennstäbe im Reaktor-Gebäude gelagert. Das braucht nur etwa zwei Tage, bis wir die ausgewechselt haben.»
Castor-Transporte sind kein Problem
Das heisst: Sogenannte Castor-Transporte, bei denen ein gut gesicherter Lastwagen mit Polizeibegleitung die Brennstäbe bringt und wieder abholt, kommen nicht häufig vor. Und: Sie sind – verglichen mit Transporten in Deutschland – harmlos, erklärt Kraftwerksleiter Herbert Meineke gegenüber dem Regionaljournal Aargau Solothurn. Im Nachbarland kommt es regelmässig zu Zusammenstössen mit Demonstranten.
«Ja, ich bin froh, dass hier die politische Situation anders ist und in der Schweiz solche Transporte deutlich weniger problematisch sind», erklärt der Deutsche.
(Regionaljournal Aargau Solothurn, 17:30 Uhr)