Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hat sich am Freitag in Aarau bei einem Arbeitsbesuch über das schweizerische Steuersystem informieren lassen. Faymann interessierte sich besonders für die Aargauer Vermögenssteuer und die Selbstdeklerationspflicht.
Das Wichtigste in Kürze:
- Faymann interessiert sich für die Vermögenssteuer im Aargau
- Österreichs Bundeskanzler möchte selber eine solche Steuer einführen, «Reichensteuer» genannt
- Faymann kritisiert allerdings die tiefen Freigrenzen in der Schweiz
- Er ist beeindruckt vom System der Steuererklärung, also der Selbstverantwortung der Schweizer Steuerzahlenden
Der Vorteil am schweizerischen System sei es, dass es ein gewisses Grundvertrauen in die Bevölkerung gebe, sagte Bundeskanzler Faymann nach dem Arbeitsbesuch vor ausgewählten Medien im Aargauer Regierungsgebäude. Damit meint er das Schweizerische System der Steuererklärung, die jeder Steuerpflichtige abgibt.
Jeder kennt hier seine Pflichten.
«Jeder kennt seine Pflichten, und man baut nicht ein System auf, wo man zu Hause nachforscht, in die Wohnungen und Küchen geht, um nachzuschauen, was hat denn der. Das braucht man nicht.»
Beeindruckt zeigte sich Faymann, dass in der Schweiz ein System besteht, das an die Verantwortung appelliert. «Ohne diese Selbstverantwortung kann eine Gesellschaft nicht funktionieren», sagte der Bundeskanzler.
Österreich diskutiert eine «Reichensteuer»
Vermögenssteuern werden in der Schweiz einzig in den Kantonen erhoben. Faymann stellte als Nachteil fest, dass es bei diesen Steuern tiefe Freigrenzen gibt. Österreich plant gemäss Bundeskanzler eine Freigrenze von einer Million Euro für eine Vermögenssteuer.
In der öffentlichen Diskussion wird in der Alpenrepublik von einer «Reichensteuer» gesprochen.
Der Schutz der Mittelschichten erforderte höhere Freigrenzen als in der Schweiz. Anderseits habe die Schweiz tiefere Ansätze bei den Einkommensteuern und anderen Abgabebereichen, hielt Faymann fest.
Bundesrätin Widmer-Schlumpf sieht noch Potential
Friedliches Zusammenleben in Europa könne nur dann auf lange Sicht funktionieren, wenn die Menschen das Gefühl hätten, dass sie in einem fairen Gesellschaftssystem lebten. Faymann machte klar, dass es bei dabei auch um faire Steuern nach der Leistungsfähigkeit geht.
Auch Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf nahm am Arbeitstreffen im Aargauer Regierungsgebäude teil. Sie sagte, man anerkenne, dass die Schweiz ein gutes und austariertes Steuersystem habe.
Man bewundert unser System.
«Man bewundert unser System, weil man die Selbstveranlagung hat. Das kennt in dieser Form sonst kein anderes Land», sagte die Finanzministerin. Es gebe jedoch «gewisse Probleme in gewissen Bereichen».
Das Steuersystem in der Schweiz sei sehr stark föderalistisch aufgebaut, besonders bei den direkten Steuern. Man habe der österreichischen Delegation aufgezeigt, das es wichtig sei, dass die Steuerpflichten vor Ort auch sehen würden, was mit ihren Geldern gemacht werde. Die Leute müssten mitbestimmen können.
Informationen aus erster Hand
Der Aargauer Landammann Roland Brogli wies darauf hin, dass die Eigenheiten des Schweizer Föderalismus dazu beitragen würden, dass das Land attraktiv für Menschen und Unternehmen sei. Der Aargauer Steuerchef Dave Siegrist hatte Bundeskanzler Faymann und seiner Delegation die Praxis bei der kantonalen Vermögenssteuer erläutert.
Bundeskanzler Faymann, Bundesrätin Widmer-Schlumpf und Landammann Brogli betonten das sehr gute Verhältnis zwischen den beiden Nachbarländern. Die Bundesrätin bedankte sich bei Faymann auch für die immer gute Unterstützung der Schweiz im nicht ganz einfachen Verhältnis der Schweiz zu Europa. «Wir haben einen schwierigen Weg vor uns», sagte Widmer-Schlumpf.