«Linksrutsch»: So lautete die Schlagzeile am Sonntag. Dass ausgerechnet im bürgerlich dominierten Aargau die SP gleich fünf Sitze dazu gewinnt im Parlament, das sorgte auch ausserhalb des Kantons für Schlagzeilen. Allerdings: Man muss den Erfolg auch etwas relativieren.
Vieles bleibt wie es ist
Die SVP bleibt mit 45 Sitzen weiterhin die mit Abstand stärkste Partei. Zusammen mit der EDU kommt die Fraktion auf 47 Sitze – zum Vergleich: SP und Grüne kommen zusammen auf 37. Der Grosse Rat bleibt also weiterhin (rechts-)bürgerlich dominiert. Das zeigen auch die von Smartvote erstellten Grafiken zur politischen Position des neu gewählten Parlaments (siehe Galerie).
Eine ebenfalls von Smartvote angefertigte Auswertung einzelner politischer Sachfragen zeigt zudem, dass auch das neue Parlament in vielen Fragen wie das bisherige Parlament entscheiden dürfte: In finanzpolitischen Fragen finden SVP, EDU, FDP zusammen mit einzelnen CVP-Stimmen ziemlich einfach eine gemeinsame Mehrheit. Sozialpolitische Anliegen (zum Beispiel weniger Krankenkassenprämien für Familien) dürften es hingegen auch weiterhin schwer haben.
Trotzdem: Die Verschiebung von der Mitte nach Links könnte spürbar sein.
Damokles-Schwert Behördenreferendum
35 Stimmen braucht es im Grossen Rat, damit ein Gesetz zwingend dem Stimmvolk vorgelegt werden muss. Dieses Behördenreferendum nutzte die Linke gemeinsam mit einzelnen Mitte-Politikern zum Beispiel bei den Sparmassnahmen im Bildungsbereich – die Abstimmungen folgen am 27. November.
Künftig können SP und Grüne mit ihren 37 Sitzen solche Referenden androhen, wenn sich die bürgerliche Mehrheit gegen ihren Willen durchsetzt. Gut möglich, dass dies bei gewissen Geschäften die Kompromissbereitschaft der bürgerlichen Seite erhöht: Gerade Sparvorlagen haben in der Vergangenheit nicht immer eine Mehrheit gefunden beim Stimmvolk.
Noch mehr Polarisieriung?
Die Erosion der Mitte und die Stärkung der Pole ist ein nationaler Trend, wie auch Politologe Adrian Vatter gegenüber SRF bestätigt. Im Grossen Rat sind die Folgen der polarisierten Politik bereits spürbar: Gemäss übereinstimmenden Aussagen mehrerer Grossräte hat die Arbeit in den Kommissionen in den vergangenen Jahren an Wert verloren.
In den Kommissionen werden Gesetzesvorlagen von Vertretern aller Lager vorbesprochen. In der Regel finden sich hier Kompromissvorschläge, die dann dem ganzen Parlament unterbreitet werden. Immer häufiger allerdings akzeptierten die Fraktionen solche Lösungsvorschläge aus den Kommissionen nicht, erzählen Grossratsmitglieder.
Das Parteibuch sei wichtiger als eine konstruktive, schnelle Lösung - das gilt vor allem für Parteien an den politischen Rändern, die mit zu viel Kompromissbereitschaft auch immer Gefahr laufen, ihre eigenen Wählerinnen und Wähler zu enttäuschen.
Wenn links und rechts Koalitionen schmiedet
Auch eine weitere Häufung sogenannter «unheiliger Allianzen» wäre denkbar: Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Geschäfte der Regierung «versenkt», weil sich sowohl SVP als auch SP gegen die Vorlagen wehrten, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen. Mit der Stärkung der Pole nimmt die Wahrscheinlichkeit solcher Konstellationen eher zu als ab.
Die Arbeit für die neu gewählte Regierung dürfte unter diesen Vorzeichen zumindest nicht einfacher werden. Grundsätzlich aber gilt: Der «Rutsch» vom Sonntag dürfte keine politischen Erdbeben auslösen im Aargau. Auch wenn das Parlament jetzt ein wenig linker tickt.
(Regionaljournal Aargau Solothurn, 17:30 Uhr)