Schon heute beklagt sich der Aargauische Gewerbeverband regelmässig über den Fachkräftemangel. Auch am 13. KMU-Anlass des Verbandes und der Neuen Aargauer Bank war das Thema traktandiert. 500 Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem ganzen Kanton haben sich am Mittwochabend in Windisch getroffen.
«Es gibt einen Fachkräftemangel, vor allem Spezialisten wie Ingenieure zum Beispiel fehlen», bestätigt der Wohler Personalvermittler Marc Koller. «Diese Spezialisten suchen sich eine Firma aus, nicht umgekehrt.»
Stelleninserate müssten deshalb heute eher wie Bewerbungsschreiben daherkommen, so der Inhaber der Hunter Personal GmbH. «Man muss erklären, welche Benefits der Mitarbeiter hat. Dann kommen die Fachleute.»
Sie wollen Weiterbildung, gleitende Arbeitszeiten und auch mal den Hund ins Büro mitnehmen können.
Ein 50-jähriger Mitarbeiter suche einen guten Lohn und Sicherheit, so Koller weiter. Junge Menschen möchten «Weiterbildung, gleitende Arbeitszeiten und vielleicht auch mal den Hund ins Büro mitbringen».
Junge Mitarbeitende haben neue Ansprüche
Die Generation Y (ab Jahrgang 1985) und die Generation X (ab Jahrgang 1995) seien durch die Digitalisierung geprägt, erklärte dazu der erst knapp 23-jährige deutsche Unternehmensberater Philipp Riederle in einem Referat. Junge Arbeitnehmer lechzten nach Abwechslung, neuen Herausforderungen, Weiterbildung, Spass und Sinnhaftigkeit bei der Arbeit.
Das heisst auch: Viele junge Mitarbeitende wechseln die Firma viel häufiger – die vermeintlich sichere Stelle für das ganze Leben ist nicht mehr gefragt.
Diesen Trend spüre man schon, bestätigen auch die Aargauer Unternehmer. Matthias Frei von der Unifil Filtertechnik AG in Niederlenz zum Beispiel bietet seinen Mitarbeitenden Weiterbildungen an. «Wir versuchen das zu ermöglichen, beteiligen uns auch an den Kosten.»
Sie wollen lieber mehr Ferien als mehr Lohn.
Im Gegenzug verpflichtet Frei seine Mitarbeitenden aber zur Weiterarbeit im Unternehmen. So gut wie es eben geht. «Es ist schon so: Nach zwei Jahren ist die Ausbildung vorbei und dann, ja, kann es schon sein, dass die Jungen anderswo eine neue Herausforderung suchen. Sie sind offener in dieser Frage als frühere Generationen.»
Auch Christoph Leimgruber von der Werkzeugfabrik Alesa AG in Seengen stellt einen Wertewandel fest bei jüngeren Generationen. «Es kam schon vor, dass einer lieber mehr Ferien wollte als mehr Lohn. Das ist anders als vor zwanzig Jahren.»
Firmen ohne Chefs?
Die neuen Ansprüche der jungen Mitarbeitenden-Generation stellt die Chefs vor neue Herausforderungen. Referent Tonio Zemp ist diese Herausforderungen mit einem radikalen Wandel in seiner IT-Firma angegangen: Er hat das gesamte Management und damit seinen eigenen Job abgeschafft. Alle Mitarbeitenden gestalten jetzt gemeinsam die Firma - haben dadurch viel mehr Freiraum gewonnen, aber auch Verantwortung übernommen.
Ein radikaler Ansatz, zu dem die meisten Aargauer Unternehmer wohl noch nicht bereit sind, wie eine nicht repräsentative Umfrage nach dem KMU-Anlass vermuten lässt. Ein Teilnehmer schätzt: «Rund 80 Prozent der Leute hier denken wohl, das sei nichts für ihre Firma.»
Die Digitalisierung stellt die Aargauer Wirtschaft vor grosse, neue Herausforderungen. Etwas neue Software im Büro oder ein paar Roboter in den Fabrikhallen reichen wohl nicht, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Gefragt sind neue Konzepte, neue Strukturen. Denn nicht nur die Technologie verändert sich rasant, auch die Menschen verändern sich in diesem Umfeld.
(Bildnachweis Front: Colourbox)